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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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geschlossenen Tore nicht eure kleinen Köpfe, das soll nicht unsere Sorge sein.«
    »Aber das ist es doch«, erwiderte Luc mit gerunzelter Braue.
    Sie hatten die enge Kurve der Straße erreicht, an deren Innenseite sich stolz Rosies Lieblingsbaum erhob, eine prächtige Eiche mit mächtigem Umfang und hohem Alter. Man nannte sie die Alte Eiche. Rosie blieb stehen, um hoch in ihr von Frost überzogenes Geäst zu schauen. Zweifel plagten sie. Sie vertraute ihren Eltern – aber wenn Matt nun recht hatte und sie in der Vergangenheit lebten und es tatsächlich einen zwingenden Grund dafür gab, sich von ihren Ursprüngen loszusagen und der Menschenwelt zu öffnen, weil diese … wirklicher war?
    »Ich liebe diesen Baum«, sagte sie. »Er sieht aus, als stünde er schon tausend Jahre hier und hätte alles gesehen.«
    »Komm, Rosie, geh weiter, wir verpassen sonst den Bus.«
    Lucas ging weiter, aber sie zögerte. Zwischen den Ästen sah sie ein Gesicht, das zu ihr herabschaute. Ein kleines herzförmiges Gesicht, moosgrün, mit zotteligem Blätterhaar.
    »Nun komm schon, Kleine«, sagte die grüne Frau. »Klettere hoch zu mir. Ich muss dir etwas sagen.«
    Rosie trat einen Schritt zurück. »Ich kann nicht«, sagte sie erschrocken.
    »Du bist früher schon hinaufgeklettert. Ich habe dich gesehen.«
    »Ich weiß, aber es ist glatt … und ich habe keine Zeit …«
    Die Dryade rutschte kopfüber am Stamm herab, bäumte sich wie eine Schlange hinter einem Ast auf und schob ihr Gesicht dicht an das von Rosie heran. Sie war halb durchsichtig, geschmeidig. »Ich will kein Blut an meinem Baum haben«, zischte sie.
    Erschrocken wich Rosie zurück. »Ich liebe deinen Baum, Grüne Frau, niemals könnte ich ihm etwas antun.«
    »Das weiß ich, aber ich sehe Blut und gebrochene Gliedmaßen.« Die krächzende Stimme der Dryade klangt heftig. Gesehen hatte Rosie Elementargeister schon öfter, aber dies war das erste Mal, dass einer mit ihr sprach. »Sorg dafür, dass sie mit ihrem Blut nicht meinen Baum besudeln! Das verbitte ich mir!«
    Rosie rannte weg. Die Dryade kam hinter ihr her und packte sie am Blazer und an den Haaren. Lucas war schon ein ganzes Stück weiter, schon fast an der Kreuzung mit der Hauptstraße. Sie sah ihre Freundinnen an der Bushaltestelle, hörte das Rumpeln des Ashvale-Busses. Die kalte Luft brannte in ihrer Kehle, als sie losrannte, bis sie den klammernden Nebel abgeschüttelt hatte, mit dem die Finger der Grünen Frau sie festhielten.
    Später saß sie mit Faith und Mel auf einer Mauer unter der Rosskastanie am Rande des Schulhofs. Sie trugen Handschuhe und Schals, ihre Beine waren violett gefleckt. Perlgrauer Reif überzog die Zweige, Pfützen waren zu klirrendem Eis gefroren.
    »Deine Erklärung, warum du während der Party verschwunden bist, ist das Verrückteste, was ich je gehört habe«, sagte Mel belustigt, aber skeptisch.
    »Ach, Dad sagte, es sei so eine Art, äh, Nachbarschaftsstreit.« Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Um ihre alleingelassenen Freundinnen zu beschwichtigen, hatte sie ihnen vom Zusammenstoß mit Sam und von der merkwürdigen Vaethyr-Versammlung erzählt. Für sie war es ganz selbstverständlich, sich ihnen anzuvertrauen – vor allem die Sache mit Jon –, aber Rosie wusste, dass es sich wunderlich anhören musste. Also machte sie jetzt einen Rückzieher, damit es weniger verrückt klang. »Aber er wollte uns nicht viel darüber erzählen.«
    »Manchmal behalten Eltern Dinge eben für sich«, sagte Mel, »da kann man nichts machen.«
    »Oh, ich wünschte, meine würden mal was für sich behalten«, sagte Faith kaum hörbar. »Wenn sie sich streiten, bekommt es gleich die ganze Straße mit. Über Weihnachten war es wieder grässlich.« Sie ließ den Kopf hängen. Faiths Familienleben war schwierig: ein verwahrlostes Zuhause, kein Geld, eine Mutter und ein Vater, die tranken und sich wie Dämonen bekämpften und manchmal sogar nächtelang verschwanden und es Faith überließen, für ihre beiden jüngeren Schwestern zu sorgen. Die anderen klopften ihr kameradschaftlich auf die Schulter.
    »Bist du dir sicher, dass du nicht ein bisschen zu viel Punsch getrunken hattest, Rosie?«, zog Mel sie auf. »Mir und Faith ist auf der Party nichts Seltsames passiert.«
    »Gut möglich.« Rosie nickte. »Das ist es, ich war betrunken.«
    »Sag das nicht«, warf Faith ein. »Mir gefällt die Vorstellung von Menschen mit Tierköpfen und einem wunderschönen Jungen, der ein Gedicht vorträgt. Es

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