Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
ihrem toten Geliebten verlieren konnte.
»Blickkontakt mit deinem Liebhaber aufzunehmen ist eine Kunst für sich«, erklärt Leonardo. »Du musst die Art und Weise ändern, wie du siehst. Normalerweise sehen wir von innen nach außen, aber beim Tantra versuchst du, von außen nach innen zu sehen, deine Augen sind wie Fenster, offen und empfänglich. Wenn du deinen Liebhaber auf diese Weise ansiehst, gestattest du dir, selbst gesehen zu werden.«
Leonardo hält inne. Sie stehen vor einem jungen Baum mit hellgrünen saftigen Blättern.
»Sieh dir diesen Baum an«, sagt Leonardo. »Sieh ihn dir genau an, das frische Grün seiner Blätter und seine Lebenskraft. Und jetzt schließ die Augen.«
Valentina sieht den Baum an, der sich in der leichten Brise auf der High Line sanft wiegt. Sie schließt die Augen.
»Wenn du die Augen wieder aufschlägst«, sagt Leonardo, »dann stell dir vor, dass nicht mehr du den Baum ansiehst, sondern der Baum dich ansieht.«
Valentina schlägt die Augen auf und stellt sich prompt vor, dass der Baum sie ansieht. Die Vorstellung ist lächerlich, und doch hat Leonardo recht, alles fühlt sich anders an, sieht anders aus. Sie spürt, wie seine grüne vitale Energie sie füllt, und sie stellt sich vor, seinen süßen Lebenssaft in sich aufzunehmen.
»Das ist erstaunlich«, flüstert sie.
Leonardo grinst.
Er stellt sich vor sie hin, sodass er ihr die Sicht auf den Baum nimmt, und legt ihr die Hände auf die Schultern. Sie sieht zu ihm hoch.
»Und jetzt sieh mir auf dieselbe Weise in die Augen, ganz weich. Gestatte dir, zu ›sein‹ und gesehen zu werden. Lade mich in dich ein, durch deine Augen.«
Valentina sieht Leonardo in die Augen. Zuerst achtet sie mehr auf sein linkes Auge, konzentriert sich darauf, seine warmen nussbraunen Schattierungen in sich aufzunehmen, dann sieht sie zu seinem rechten, wobei ihr auffällt, dass es einen etwas anderen Braunton hat, blasser, mit dunkelgrünen Flecken darin. Dieses Auge blickt nicht so freundlich wie das andere, und doch stellt sie fest, dass es eine stärkere Wirkung auf sie hat. Sie stehen gemeinsam da, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, als wären sie aus Stein, während das Meer von Menschen um sie herum rauscht und vorbeiströmt, und doch fühlt sich Valentina, als würden sie auf ihrer eigenen winzigen Wolke an einem Himmel des Verlangens stehen. Sie hat oft mit Leonardo geschlafen. Er war immer ihr guter Freund, mit dem sie vögeln konnte, aber sie hatte noch nie ein solches Verlangen nach ihm wie jetzt, während sie ihm nur in die Augen sieht. Sie muss ihm nicht sagen, wie sehr sie ihn begehrt. Er kann es an ihren Augen ablesen. Wie lange sie sich schon so ansehen, kann Valentina nicht sagen. Sie befinden sich in ihrem eigenen Lichtkreis. Schließlich nimmt Leonardo seine Hände von ihren Schultern und lässt den Kopf sinken, bricht die Verbindung zwischen ihnen ab.
»Kannst du jetzt sehen, Valentina, wie man dadurch, dass man sich mit offenen Augen liebt, eine unglaubliche Sinnlichkeit in den Sex bringt?«
Sie nickt, leicht verblüfft von der plötzlichen erotischen Spannung zwischen ihnen. Wie kann es sein, dass sie allein dadurch, dass sie Leonardo in die Augen sieht, auf einmal unbedingt Sex mit ihm haben will?
»Was hat das alles damit zu tun, mich aufzuschließen, Leonardo?«
»Weil du bisher mit deinem Verstand geliebt hast, und das ist der Grund, weshalb du im Moment so leidest. Ich will dich in deinen Körper zurückführen, Valentina, denn das ist die beste Art, dein Herz zu heilen.«
»Das heißt, das ist der erste Schlüssel … die Augen?«
»Ja, genau. Einfach und doch erotischer, als wir ihnen zugestehen. Sieh deinem Liebhaber in die Augen.«
Sie nehmen ein Taxi zurück zu Leonardos Wohnung. Er erzählt ihr, dass sie seinem Onkel gehört, der zurzeit in Dubai lebt und der sie ihm mehr oder weniger zur freien Verfügung gestellt hat. Valentina freut sich zu sehen, dass sie zu Fuß kaum fünf Minuten von Marcos Wohnung entfernt ist, in der Nähe des Gramercy Parks.
Das Appartement ist spärlich möbliert. Leonardo erklärt ihr, sein Onkel habe die Wohnung ausgeräumt, um Platz für seinen Neffen zu schaffen.
Im Moment liegt in einem Zimmer eine Futonmatratze auf dem Boden, und vor den Fenstern hängen orangefarbene, golden bestickte Seidenvorhänge. Der Futon ist mit einem roten Laken bezogen, und darüber liegen rote Handtücher. Daneben stehen zwei große schwarze Straußenfedern in einer Vase, wie die
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