Valentine
und Maurice überkam angesichts der beachtlichen Fangzähne ein Frösteln. »Nicht nötig, Danke für dein Angebot. Ich weiß es zu schätzen.«
* * *
Kurz nach Sonnenuntergang war Frédéric aufgebrochen.
Erschöpft warf sich Maurice auf sein Bett. Sein Innerstes war voller Unruhe. Seine Füße und Beine schmerzten vom H erumlaufen, N iederknien und S uchen. Maman würde es ihm hoffentlich verzeihen, dass er auch in ihren Sachen gewühlt und nicht alles wieder ordentlich eingeräumt hatte.
Er schnappte sich sein Handy und wählte Valentines Nummer. Hoffentlich nahm sie ab. Er musste unbedingt ihre Stimme hören.
»Oui?«
»Mon amour, wie geht es dir?«
»Maurice – wie schön, deine Stimme zu hören.«
»Je t’aime. Ich vermisse dich.«
»Ich vermisse dich auch. Ich habe nicht gewusst, was mir bisher entgangen ist.« Sie seufzte. »Habt ihr den Kristall gefunden?«
»Nein. Wir haben alles durchsucht, vom Dachboden bis zum Keller. Er ist tatsächlich nicht hier.«
»Oh je, und nun? Was habt ihr vor? Kann es noch länger dauern, bis ihr zurückkehrt?« Sie klang enttäuscht und besorgt.
»Ich fürchte , ja. Willst du nicht für ein paar Stunden zu mir kommen? Frédéric ist in Oxford und durchsucht gerade mein Zimmer. Mir ist wieder eingefallen, dass er in einer Schachtel mit Erinnerungsstücken und so Kram liegen müsste .« Er lachte.
Es dauerte einige Sekunden, ehe sie mit fester Stimme antwortete. »Nein, Maurice. Ich hätte keine Ruhe. Bringt ihr eure Mission zu E nde , und dann kommt heim. Ich denke an dich.« Sie hauchte ein paar Küsse , dann legte sie auf.
* * *
Zuerst hatte er sich noch da gegen gewehrt , dass ihm die Augen immer wieder zufielen. Dann war er aber doch eingeschlafen. In seinem Traum begegnete er allen, die ihm lieb und teuer waren, und jeder fühlte sich von ihm vernachlässigt. Maman, Aliénor, Valentine … und auf einmal tauchte sein Vater auf, blutüberströmt, mit einer Waffe in der Hand. Er selbst fühlte sich wie gelähmt, unfähig einzuschreiten.
»Aaaah!« Mit einem lauten Schrei fuhr Maurice vom Bett hoch.
»Sch sch , beruhige dich. Du hast geträumt.«
Eine Hand drückte ihn zurück in die Kissen. Sein Herz raste , und er bekam keine Luft. Wo bin ich? Als das Licht eingeschaltet wurde, erkannte er Frédéric und sein Zimmer.
»Besser?« Der Vampir setzte sich ans Fußende.
Maurice nickte stumm, richtete sich auf und lehnte sich gegen das Kopfende. Er sah Frédéric zu, wie dieser einen Koffer öffnete, den er als den seinen wiedererkannte. Er war vollgestopft mit Kleidungsstücken, Büchern und persönlichen Papieren. Offensichtlich ging Frédéric davon aus, dass Maurice nicht mehr nach Oxford zurückkehren würde. Mitten zwischen Shirts, Pullovern und Wäsche lag sicher aufbe wahrt der Kristall, den Frédéric nun herausnahm und ihm reichte.
»Wird er funktionieren? Ich meine …« Maurice war sich gar nicht im K laren darüber, was genau er fragen wollte. Es war Jahre her, dass er den zackig verzweigten Mondstein in der Hand gehalten hatte, zu viele Jahre. Denn in seiner Erinnerung hatte das Mineral in seiner Hand eines Tages blaugrün aufgeleuchtet, so dass er es erschrocken aufs Bett fallen ge lassen und anschließend in eine Schachtel verbannt hatte . Diese Erinnerung wirkte wie eine Fantasie , und er hatte sie beinahe vergessen. Als er nun mit den Fingerspitzen nach ihm griff, um ihn genauer zu betrachten, begann der Kristall , schwach zu leuchten.
»Habt du das gesehen?« , flüsterte er atemlos vor Anspannung.
D as Licht flackerte wie eine defekte Neonröhre.
»Nimm ihn fester in die Hand, gib ihm das Gefühl, dass ihr zusammengehört und eins seid .«
Beinahe hätte Maurice laut aufgelacht. Das hörte sich an, als wäre dieser Stein lebendig. Aber nach allem, was geschehen war und ihnen womöglich noch bevorstand, wäre ein Lachen kaum angebracht.
Wie gebannt starrten sie beide auf den Kristall. Tatsächlich, unter seinem beherzteren Griff leuchtete der Mondstein so intensiv wie eine Halogenlampe. Gleichzeitig wandelte sich die Kühle des Kristalls in eine angenehme Wärme.
» Das sind keine Zufälle, das ist Vorsehung ?« , meinte Frédéric mit fester Stimme .
»Glaubst du, es wird klappen , Aliénor zu befreien ?«, fragte Maurice skeptisch.
»Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
Kapitel 23
Die Stunden vergingen zäh wie Honig. Valentines Gedanken waren ständig bei Maurice. Den ganzen Tag über wälzte sie sich auf
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