Valhalla: Thriller (German Edition)
warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu und folgten Arun ins Camp. Wie üblich für diese Zeit waren die Mitglieder der Restaurations- bzw. Archäologieteams beim Abendessen versammelt und sprachen über ihre Arbeit. In einigen Hütten brannte Licht, was darauf hindeutete, dass manche ihre Abschlussberichte noch nicht fertiggestellt hatten. Es wurde geredet, gelacht und gegessen. Das Buffet verströmte einen betörenden Geruch.
»Da seid ihr ja«, ertönte ein Ruf, als sie in den Lichterkreis traten. Köpfe wandten sich ihnen zu, und die Gespräche verstummten.
»Wir wollten schon eine Vermisstenmeldung rausschicken. Ist es nicht etwas spät für archäologische Erkundungen?« Auf etlichen Gesichtern war ein breites Grinsen zu sehen. Hannah spürte, wie sie rot anlief. Sie hatte das Gefühl, schnell von hier verschwinden zu müssen.
»Kümmert euch um euren Kram«, rief John zurück. »Und lasst uns noch etwas zu essen übrig. Ich bin hungrig wie ein Bär.«
Wissendes Gelächter ertönte, gefolgt von ein paar anzüglichen Bemerkungen. Hannah folgte Arun mit schnellen Schritten.
Drüben in der Funkhütte standen Satellitenempfangsanlagen, Drucker und Kommunikationsrechner. In einem Regal waren etliche Ablagefächer, auf denen ihre Namen standen. Arun griff in Hannahs Fach und reichte ihr ein Schreiben. Noch ehe sie ihre Hand danach ausstrecken konnte, hatte John ihr den Zettel vor der Nase weggeschnappt.
»Na, hör mal …«, stieß sie aus, doch er überflog die Mitteilung bereits. Typisch John. Er war der Meinung, Paare dürften keine Geheimnisse voreinander haben. Ihre Empörung wich echter Sorge, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte.
»Was ist los?«, fragte sie.
Wortlos reichte er ihr das Papier. Es war der Ausdruck einer verschlüsselten Nachricht aus dem Hauptquartier in Washington D.C . Das Symbol in der Adresszeile war unverkennbar.
Stromberg!
2
Freiburg …
D as Gebäude des Bundesmilitärarchivs, abgekürzt
BA
rch-
MA
, war ein grober grauer Klotz an der Wiesentalstraße im Süden der Stadt. Es beherbergte das Archivgut des Bundesministeriums der Verteidigung, der Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung sowie die Unterlagen der Wehrmacht, der Waffen- SS und der Reichswehr. Vor allem aber war es für seine unermessliche Anzahl von Bildern, Karten und Plänen, von Nachlässen, Unterlagen von Soldatenverbänden und privaten Sammlungen bekannt. Eine Fundgrube für jeden Historiker, der es verstand, die Zeichen und Spuren richtig zu deuten.
Dr. Wolfram Siebert von der Universität Potsdam saß im vierten Obergeschoss an einem Fenstertisch, seine Nase tief über ein verwittertes Tagebuch gebeugt. Mit unverhohlener Erregung studierte er die Eintragungen, die vor langer Zeit mit geübter Handschrift zu Papier gebracht worden waren. Was dort zu lesen stand, konnte sich als Entdeckung von historischer Dimension herausstellen.
Sieberts Fachgebiet war die Besetzung Norwegens durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Sein Vater war damals aktiv am
Unternehmen Weserübung
beteiligt gewesen, was das Thema für ihn zu einer persönlichen Angelegenheit machte. Offiziell war Siebert zwar Angestellter der Universität, doch inoffiziell verdiente er sich etwas hinzu, indem er als Informant für einen Mann arbeitete, der sich in der Öffentlichkeit eher zurückhaltend gab. Ein amerikanischer Großindustrieller, der mit seinen ausgedehnten Ölvorkommen in Alaska, der weltweit größten Tankerflotte und einem Verbund von Radio- und Fernsehsendern recht breit aufgestellt war. Mit einem geschätzten Vermögen von 50 Milliarden Dollar galt Norman Stromberg als einer der reichsten Männer der Erde, zwar hinter Bill Gates, der 61 Milliarden besaß, aber noch vor seinem Freund und Kollegen, dem amerikanischen Großinvestor Warren Buffet mit 41 Milliarden. Doch schien sich Stromberg aus seinem Reichtum nur insofern etwas zu machen, als er ihm den Weg in die Welt der Vergangenheit ebnete. Stromberg galt als einer der versiertesten Kenner historisch bedeutsamer Epochen, und er war obendrein ein besessener Sammler. Ihm gehörten Höhlen in Südfrankreich, Paläste in Indien, Tempel in Japan und Schiffe, die mitsamt ihren Schätzen in den Tiefen des Meeres versunken waren. Sein Hunger auf Relikte mit einer außergewöhnlichen Geschichte war unerschöpflich. Ebenso wie sein Bankkonto.
Was die Nazizeit betraf, so war Strombergs Interesse begrenzt. Die Epoche lag noch nicht lange genug zurück, und
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