Vampir sein ist alles
ein netter Kerl.“
Hatte ich da gerade so etwas wie „... und süß ist er auch“ aus seinem Ton herausgehört? Sebastian hatte mal versucht, William zu „bezirzen“, und ich hatte dazwischengehen müssen, sonst hätte mein Lover wohl die Zähne in seinen Hals geschlagen. „Ich hoffe, er steht nicht in deinem kleinen schwarzen Buch“, sagte ich.
„Nein, ich habe ihn doch auf Kurzwahl“, neckte mich Sebastian.
Ich boxte ihn gegen den Arm.
„Hey, ich fahre!“, schimpfte er.
Kurze Zeit später waren wir bereits auf dem Weg zu Marge. Überall gingen die Straßenlampen an, und die Laubfrösche quakten im Chor ihr Gutenachtlied. Als wir vor Marges Haus anhielten, sah ich sie zu meiner Überraschung mit einem Buch vor der Nase auf der Veranda in der Hollywoodschaukel sitzen.
Die große Veranda war ganz um das prächtige, wenn auch etwas renovierungsbedürftige viktorianische Haus herumgezogen. Die Farbe blätterte von der Holzfassade ab, und auf dem Dach hatten sich hier und da Schindeln gelöst. Doch auf der Treppe standen Töpfe mit Blumen, der Rasen war ordentlich gemäht, und in dem hübschen Garten blühte Schwarzäugige Susanne in verschwenderischer Fülle. Mein erster Eindruck von Marges Zuhause entsprach so ziemlich dem, den ich auch von ihr gehabt hatte: ein bisschen verlottert, aber gemütlich.
Als ich die Wagentür zuschlug, sah Marge auf. Sie riss entsetzt die Augen auf und drückte das Buch an ihre Brust. Dann sprang sie auf, als wollte sie weglaufen.
Sebastian griff auf diesen unheimlichen Vampirtrick zurück und war schneller bei ihr, als ich „Halt sie fest!“ rufen konnte.
Es war immer wieder irritierend.
„Äh, gut. Danke, Sebastian“, sagte ich und ging die alte Holztreppe hoch.
„Es tut mir leid!“, rief Marge schrill. „Es war falsch, das weiß ich jetzt, aber... aber es war, als hätte ich völlig in seinem Bann gestanden. Er sieht so gut aus und ist so bezaubernd, und ... Ja, okay, ich hatte noch nie solche Macht, und es war einfach zu verlockend ..." Sie zog den Kopf ein, als ich mich vor ihr aufbaute, und hielt ihr Buch wie einen Schutzschild vor sich. „Tu mir nichts!“
„Du hast versucht, mich umzubringen! Und du hast meinen Verlobten begraben!“ Es klang schon merkwürdig, wenn man es so sagte, oder?
Marge schaute ängstlich zu Sebastian auf, der sie festhielt und eine steinerne, grimmige Miene zur Schau trug. Sie wurde immer kleiner. „Das war ich nicht!“, quiekte sie.
„Netter Versuch“, entgegnete ich und bohrte den Zeigefinger in ihr buntes Hawaiihemd. „Aber ich weiß, dass du mit Micah zusammenarbeitest.“
„Das ist es ja: Er hat mich dazu gezwungen.“
„Er hat dich dazu gezwungen?“ Sie sah so verzweifelt aus, dass ich ihr fast geglaubt hätte, aber irgendwie kaufte ich es ihr nicht so recht ab. „Du lügst“, sagte ich und machte einen auf „böser Cop“. „Ich denke, du bist in Panik geraten, als ich dich gefragt habe, ob du weißt, wo Sebastian ist, und dann hast du deine Magie eingesetzt, um mich mit dem Windspiel umzubringen.“
„Okay, ja, das stimmt“, gab sie zu.
„Und“, fuhr ich fort, „ich glaube, du hast Micah darauf gebracht, dass der Friedhof, für den du arbeitest, der ideale Ort ist, um einen Vampir zu verbuddeln. Ich wette, du erhoffst dir etwas davon. Du hast doch sicher einen Deal mit Micah gemacht. Die Frage ist nur, was bekommst du dafür? Liebe?“
„Macht!“, sagte Marge und riss sich von Sebastian los. Dann stürzte sie auf mich zu, als wollte sie mich erwürgen. Ich riss die Arme hoch, um mich zu verteidigen. Dabei blieb ich mit den Fingern an irgendetwas hängen, und im selben Moment tauchte Sebastian hinter Marge auf, packte sie an den Armen und zog sie weg. Es gab einen Ruck, und ich hielt ihre kaputte Kette mit dem Hundeanhänger in der Hand.
Marge schrie wie am Spieß, und weil ich befürchtete, sie würde jeden Moment eine Zauberformel sprechen, reichte ich Sebastian die Hände. „Komm, wir bilden einen Kreis! Schnell!“
Er ließ Marge los, die sich ohnehin schon fast aus seinem Griff befreit hatte, und ergriff meine Hände. Ich schloss die Augen und visualisierte eine stählerne Kugel, die Marge mitsamt ihrer Magie gefangen hielt. Es gab einen richtigen Knall, als sich Sebastians Energie mit meiner zusammenschloss. Ich linste kurz in seine Richtung, und er warf mir ein begeistertes Lächeln zu. So eine starke Verbindung hatten wir nicht mehr gehabt, seit wir unsere Energien vereint
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