Vampirdämmerung / Roman
dass meine Höllenhunde die Tür bewachen. Und zu bestimmten Zeiten gehen sie weg. So können sie ehrlich sagen, sie hätten nicht gesehen, wie ich mit Geschenken hineingehe und mit einem anderen Höllenhund wieder herauskomme.« Er lächelte spöttisch. »Wie es scheint, sind wir in der Außenwelt gezwungen, stets die Wahrheit zu sagen, genau wie hier drinnen auch.«
Constance fröstelte, als sie begriff, was er sagte und was sie vorhatte. »Lor.« Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Es ist etwas geschehen.«
Er legte seine großen Pranken auf ihre Schultern, fest und tröstlich. »Was?«
»Die Wachen haben Sylvius mitgenommen.«
Vor Entsetzen wurde der Höllenhund merklich blasser und fluchte etwas in seiner Hundesprache. Constance schilderte ihm in allen Details, was vorgefallen war, worauf Lor sich auf dem Boden krümmte, als raubte ihre Nachricht ihm die Kraft, sich aufrecht zu halten.
Constance kniete sich neben ihn. »Ich brauche deine Hilfe.«
Lor schloss die Augen. »Constance, niemand kann Sylvius jetzt noch helfen. Ich kann nicht mein ganzes Rudel gegen Reynard und seine Mannen antreten lassen. Sie sind so stark wie die mächtigsten Dämonen.«
»Ich brauche deine Hunde nicht. Ich tue es selbst, aber vorher brauche ich deine Hilfe, um aus der Burg zu kommen. Zeig mir, was ich tun soll, wenn ich in der Außenwelt bin. Gewiss hat sie sich sehr verändert, seit ich sie zuletzt sah.«
Lor antwortete nicht.
»Nimmst du mich mit, wenn du wieder gehst?«, fragte sie und sah ihn an.
Er wandte sein Gesicht ab. »Nein.«
Im ersten Moment verstand sie gar nicht, was er sagte, weil es das Gegenteil dessen war, was sie hören wollte. Entgeistert starrte sie ihn an. »Warum nicht? Es ist eine solche Kleinigkeit für dich, nur ein winziger Gefallen!«
Er schüttelte den Kopf. Verzweifelt ergriff Constance seinen Arm, bis er sich wieder zu ihr wandte. »Warum nicht?«
Lor stand auf und wich zurück.
Auch Constance richtete sich auf, denn sie erlaubte nicht, dass er sie mied. »Nenn mir den Grund!«
Lor machte eine verärgerte Geste. »Gegenwärtig bist du immer noch genauso sehr Mensch wie Vampir. Willst du das wegwerfen?«
»Wenn ich muss.«
Seine Augen wurden dunkler vor Kummer. »Hast du nicht erzählt, du wärst gefangen worden, als du aus dem Grab erwacht bist? Dass du dich noch nie genährt hast?«
»Ja, deshalb bin ich so schwach.«
»Hat keiner der anderen Vampire mit dir darüber gesprochen?«
Constance fuhr unweigerlich zusammen. »Ich bin keine von ihnen. Sie nennen mich einen Fehler und wollen nichts mit mir zu schaffen haben. Das weißt du.«
Lor überlegte längere Zeit, bis er endlich, widerwillig nickte. »Wenn du über diese Schwelle trittst, überwältigt dich dein Blutdurst. Und dort draußen sind überall Menschen.«
Constance zuckte mit den Schultern. Sie wollte es sich lieber nicht vorstellen. »Also nähre ich mich. Das tun Vampire doch, oder nicht?«
»Die Neugewandelten nähren sich nicht bloß. Sie töten. Sie werden wahnsinnig vor Hunger, das habe ich schon erlebt. Du greifst jemanden an und reißt ihn in Fetzen.«
»Nein!« Constance schüttelte den Kopf und schlug Lor eine Hand gegen die Brust, so dass er ein Stück rückwärtsstolperte. »Nein, das tue ich nicht. Du verstehst es nicht. Ich muss nach draußen!«
»Du wirst exekutiert, wenn du gehst.«
»Es ist nicht fair, dass ich eine Gefangene bin. Ich habe kein Verbrechen begangen, und ich bin kein Monstrum!«
Aber war es nicht ihr Plan, zu einem zu werden? Constance zitterte vor Wut und Verwirrung.
Lor nahm ihre Hände. »Es ist gegen das Gesetz, Menschen zu verletzen. Jeder Verstoß kann mit der Todesstrafe enden. Und dabei bedenken wir noch nicht, wie du dich fühlen wirst, wenn du es tust.«
»Du meinst, ich bin auf ewig hier drinnen gefangen?«
»Könntest du jemanden töten? Ich meine keinen Wächter oder jemanden, der dir Leid zufügen will, sondern einen ganz gewöhnlichen Menschen, der ein ganz gewöhnliches Leben führt. Könntest du das?«
Zweifel regte sich in ihr. »Ich dachte nie, dass ich sie töten würde. Ich dachte, ich nehme mir bloß von ihrem Blut.«
»Du bist so unschuldig, Constance. Und Atreus ließ dich so, was gleichermaßen gut wie schlecht war.«
»Nun bin ich auf mich gestellt. Ich muss lernen, für mich selbst zu kämpfen, und das heißt, dass ich die Wandlung zu Ende bringen muss.«
»Dein Leben war bislang makellos, Constance. Willst du das aufgeben? Der Preis der Macht ist
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