Vampirdämmerung / Roman
mit einer Hand auf eine Bank in der Nähe. »Hast du ein paar Minuten? Ich möchte mir dir reden.«
Holly rührte sich nicht, beobachtete ihn aber sehr aufmerksam. »Hinausspaziert, ja? Wie?«
»Mit ein bisschen Glück und dank kurzfristiger Unabkömmlichkeit der Höllenhundwärter.«
»Göttin, Alessandro wird stinksauer!«
»Können wir reden? Wo immer du willst.« Abermals hielt er beide Hände in die Höhe wie ein Verdächtiger bei der Festnahme.
Holly wirkte erst widerwillig, dann interessiert, und schließlich blickte sie auf ihre Uhr. »Ja, meinetwegen. Aber das wird hoffentlich nichts Schräges. Und ich will an einen Ort, wo viele Leute sind.«
Mac widersprach ihr nicht. Er hätte an ihrer Stelle dasselbe verlangt. Langsam nahm er die Hände herunter. »Kaffee?«
»Okay.« Sie drehte sich um und ging auf das Gebäude des Studentenwerks zu, wobei sie einen möglichst großen Abstand zu Mac wahrte und ihn nicht aus den Augen ließ. Ihr Misstrauen verletzte ihn, obgleich er wusste, dass er es verdient hatte.
Draußen vor dem Gebäude standen Kaffeewagen, von denen ein köstliches Aroma in die kalte Luft aufstieg. Schwere Kunststofftische und Stühle waren um die Wagen herum aufgestellt, deren grelles Grün und Rosa im grauen Morgenlicht geradezu leuchtete. Dieser Sitzbereich außen war eigentlich eher etwas für den Sommer, doch die Studenten schienen ihn das ganze Jahr über zu nutzen. Vielleicht brauchten sie die Kälte, um richtig wach zu werden.
Holly marschierte weiter, bis sie die Schlange vor der Zap Baby Espresso Bar erreichte. Ihre schnellen eleganten Bewegungen lenkten Macs Gedanken ab – beispielsweise hin zu der Art, wie sie ihn geküsst hatte.
Und wie Connie geküsst hatte.
Mac ohrfeigte sich im Geiste.
Seit wann ist sie denn Connie statt Constance?
Für einen Moment driftete er ab, durchlebte noch einmal den Moment, dachte an ihren seidig weichen Mund, der nach Wildkirschen geschmeckt hatte.
Sie kannte Jane Austen nicht. Welche Frau kennt denn nicht
Stolz und Vorurteil?
Das ist schlicht unnatürlich. Im Campus-Buchladen müsste es das Buch geben …
Ach, komm runter, Mann! Sie wollte dich beißen. Krieg dich mal wieder ein! Und lass die Finger von diesen Höllenweibern!
Mac kehrte blinzelnd ins Hier und Jetzt zurück. Er fühlte sich mies dabei, dass er wie ein Achtklässler dachte. Und erst recht, weil seine Gedanken um ein Mädchen mit Reißzähnen und Krallen kreisten. Jawoll, er war echt krank!
Als er neben Holly stand, spürte er die Anspannung zwischen ihnen wie eine feste Eisschicht. »Was machen die Kurse?«
Sie warf ihren dunklen Pferdeschwanz über die Schulter. »Sind schwer. Wie hast du mich gefunden?«
»Ich war ein Cop, schon vergessen? Jeder weiß, dass du Betriebswirtschaft studierst. Der Rest war simple Schlussfolgerung.«
»Wer ist jeder?«
»Jeder ist jeder. Du bist eine Berühmtheit in der Übernatürlichengemeinde, seit du meine fiese Dämonendomina in der Schlägerei des Jahrzehnts abserviert hast. Wenn du niest, reden die Vampire, Feen und Werwölfe von nix anderem.«
»Ah, super!« Holly zog eine Grimasse, durch die ihre dunklen Augenringe noch betont wurden. Mit ihren zarten Zügen und in dem übergroßen Pulli, der ihr fast bis zu den Knien reichte – wahrscheinlich Caravellis –, sah sie wie ein verschlafenes Kind aus. »Du hörst dir also Promitratsch an?«
Mac zeigte auf das Studentenwerkgebäude. Die CSUP -Funkrufnummern waren über einer kleinen Tür zur Rechten angeschlagen, gleich neben einem großen Poster der Goth-Werpuma-Moderatorin Errata.
»Da ist der Sender. Die plappern, als hätten wir die nationale Stalker-Stunde ausgerufen. Und außerdem reden ein paar der abgehalfterten Typen, die in Motelbars herumhängen, auch mit Dämonenabschaum wie mir. Vorausgesetzt, ich spendiere ihnen Drinks, versteht sich.«
Holly lächelte matt, was bedeutete, dass sie es witzig fand, auch wenn sie es nicht wollte. »Aha. Und was sagen die so?«
»Keiner von denen kapiert, wieso du dich mit der Uni abplagst, wo du doch einen dreifachen Ehrendoktor in Magie hast.«
Hierauf verdrehte Holly die Augen. »Ich war im Begriff, meine Firma in den Bankrott zu treiben. Ich hatte keinen Schimmer von Bilanzbuchhaltung, anständigem Marketing oder auch nur den Grundbegriffen der Lohnbuchhaltung. Eine Hexe zu sein, macht mich nicht automatisch zu einer Geschäftsfrau. Seien wir mal realistisch: Ich habe Geneva geschlagen. Na und? Es ist ja nicht so, als hätte
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