Vampire Academy 04
wir über Nacht in einem Hotel abstiegen, kamen mir die Zeitabschnitte endlos lang vor, in denen ich fast ununterbrochen auf engstem Raum mit drei Männern zusammengepfercht war, die von nichts anderem reden konnten als von den zahllosen Strigoi, die sie töten würden.
Insbesondere versuchten sie, mich auszuhorchen. Sie wollten wissen, wie viele Strigoi ich bereits erledigt hatte. Sie wollten wissen, wie die Schlacht bei der Akademie gewesen war. Sie wollten meine Methoden kennenlernen. Doch wann immer mein Geist sich diesen Themen zuwandte, konnte ich an nichts anderes denken als an Blut und Trauer. Das war definitiv nichts, womit ich prahlen wollte, und sie brauchten gut sechs Stunden auf der Straße, um endlich zu kapieren, dass sie von mir nicht viel erfahren würden.
Stattdessen unterhielten sie mich mit lauter Geschichten über ihre eigenen Abenteuer. Um fair zu sein, sie hatten immerhin mehrere Strigoi getötet – doch sie hatten auch eine ganze Reihe ihrer Freunde verloren, alle unter zwanzig, wie diese jungen Männer. Meine Erfahrungen waren ihren nicht unähnlich – auch ich hatte Freunde verloren. Meine Verluste resultierten jedoch aus der Tatsache, dass wir in der Minderzahl gewesen waren. Die Opfer von Denis’ Gruppe hatten anscheinend eher deshalb den Tod gefunden, weil sie sich, ohne nachzudenken, in den Kampf gestürzt hatten. Und tatsächlich, ihre Pläne für unsere Zeit in Nowosibirsk waren nicht sonderlich wasserdicht. Sie wiederholten nur ständig, dass Strigoi gern an Orten jagten, an denen nachts viel los war, wie Tanzklubs oder entlegene Gassen, die für leichte Beute wie geschaffen waren. Wenn Menschen an solchen Orten verschwanden, erregte das kaum Aufmerksamkeit. Im Wesentlichen sahen Denis’ Pläne also vor, diese Brennpunkte abzuklappern, in der Hoffnung, dass uns dort Strigoi über den Weg laufen würden.
Mein erster Gedanke war zunächst, dieser Truppe auf der Stelle den Laufpass zu geben und auf eigene Faust loszuziehen. Schließlich hatte mein Hauptziel allein darin bestanden, nach Nowosibirsk zu kommen. Nach allem, was ich inzwischen erfahren hatte, schien es mir logisch, dass Sibiriens größte Stadt der geeignete Ort war, um meine Suche fortzusetzen. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass die Idee, mich allein in die Strigoi-Szene zu stürzen, genauso dumm war wie die Pläne der Unversprochenen. Ich konnte ihre Verstärkung gut gebrauchen. Da ich zudem noch nicht wusste, wo Dimitri war, musste ich mir eine Methode ausdenken, um an Informationen heranzukommen. Und dazu brauchte ich Hilfe.
Am Ende des zweiten Tages erreichten wir Nowosibirsk. Obwohl ich schon von der Größe dieser Stadt gehört hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie Moskau oder Sankt Petersburg ähneln würde. Und tatsächlich, sie entpuppte sich als nicht ganz so groß wie diese beiden Städte, war aber dennoch eine richtige Stadt, komplett mit Wolkenkratzern, Theatern, Pendlern – und mit derselben wunderschönen Architektur.
Wir kamen bei einer Freundin der Jungen unter, die mitten im Stadtzentrum ein Appartement hatte, bei einem Dhampir namens Tamara. Ihr Englisch war nicht besonders gut, aber offenbar war sie ebenfalls eine Unversprochene und genau wie alle anderen von der Idee begeistert, die Welt von allen Strigoi zu befreien. Sie war ein wenig älter als der Rest von uns und hatte deshalb schon ihre eigene Wohnung – eine süße Brünette mit Sommersprossen. Offenbar wartete sie mit der Jagd stets, bis die Jungen mal wieder in die Stadt kamen, wofür ich ihr irgendwie ziemlich dankbar war. Zumindest zog sie nicht alleine los. Besonders aufregend fand sie die Vorstellung, ein weiteres Mädchen dabeizuhaben, aber auch sie kapierte schnell, dass ich ihre Begeisterung nicht teilte.
Als die erste Nacht unserer Strigoi-Jagd bevorstand, übernahm ich die Position des Anführers. Zuerst waren sie von meinem veränderten Verhalten etwas verdutzt, doch schon bald lauschten sie meinen Plänen mit gespannter Aufmerksamkeit, immer noch hin und weg von meinem Ruf als Superstar.
„Okay“, sagte ich und ließ meinen Blick von einem zum anderen wandern. Wir saßen alle im Kreis in Tamaras winzigem Wohnzimmer. „Es wird folgendermaßen laufen: Wir werden als Gruppe in der Klubszene aufschlagen und gemeinsam die Nachtklubs sowie die Gassen dahinter absuchen, um …“
„Moment mal“, unterbrach Denis. „Normalerweise teilen wir uns auf.“
„Und genau deswegen
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