Vampire Academy 04
ich Beweise hatte. Sie waren mein Beweis.“
„Und deshalb sind Sie enttäuscht?“
Jewa zog das Umhängetuch fester um sich. „Nein. In meinen Träumen haben Sie geleuchtet. Sie haben gestrahlt wie ein Stern, und ich habe Sie als Kriegerin gesehen, als jemanden, der zu großen Taten fähig ist. Stattdessen haben Sie herumgesessen und Trübsal geblasen. Sie haben nichts getan. Sie haben nicht das getan, weswegen Sie hergekommen sind.“
Ich musterte sie und fragte mich, ob sie wirklich wusste, wovon sie redete. „Und was genau soll das sein?“
„Sie wissen, was es ist. Auch davon habe ich geträumt.“
Ich wartete, ob sie noch mehr dazu sagen würde. Als nichts kam, lachte ich. „Das ist ja eine schöne vage Antwort. Ihre Worte sind auch nicht besser als der Schwindel einer Wahrsagerin.“
Selbst in der Dunkelheit sah ich den Ärger in ihren Augen aufblitzen. „Sie sind hergekommen, um Dimka zu finden. Um zu versuchen, ihn zu töten. Sie müssen ihn finden.“
„Was meinen Sie mit ‚versuchen‘?“ Ich wollte ihr einfach nicht glauben, wollte nicht glauben, dass sie meine Zukunft womöglich wirklich kannte. Nichtsdestotrotz hatte die alte Frau mich bereits an der Angel. „Haben Sie gesehen, was geschieht? Werde ich ihn töten?“
„Ich kann nicht alles sehen.“
„Oh. Fantastisch.“
„Ich habe nur gesehen, dass Sie ihn finden müssen.“
„Und das ist alles, was Sie haben? Das wusste ich schon vorher!“
„Es ist das, was ich gesehen habe.“
Ich stöhnte. „Verdammt, ich habe kein Interesse an diesen rätselhaften Andeutungen. Wenn Sie mir nicht helfen können, dann sagen Sie besser gar nichts.“
Sie schwieg.
Ich warf mir meine Tasche über die Schulter. „Auch gut. Dann gehe ich jetzt.“ Und mit einem Mal wusste ich, wo ich hingehen würde. „Sagen Sie den anderen … hm, sagen Sie ihnen Danke für alles. Und dass es mir leidtut.“
„Sie tun das Richtige“, erwiderte sie. „Dies ist nicht der Ort, an dem Sie sein sollten.“
„Das habe ich schon mal gehört“, murmelte ich bereits im Gehen.
Ich fragte mich, ob sie noch etwas anderes sagen würde: mich tadeln, mich verfluchen, mir weitere mysteriöse „Weisheiten“ mit auf den Weg geben. Doch sie blieb still, und ich drehte mich nicht mehr um.
Ich hatte kein Zuhause, nicht hier und nicht in Amerika. Jetzt konnte ich nur noch zu Ende bringen, wofür ich hergekommen war. Ich hatte Abe gesagt, dass ich meine Versprechen halte. Und das tat ich auch. Ich würde Baja verlassen, wie ich es ihm zugesagt hatte. Und ich würde Dimitri töten, wie ich es mir selbst versprochen hatte.
Jetzt wusste ich, wohin ich gehen musste. Die Adresse hatte ich nicht vergessen: Kasakova 83. Ich wusste zwar nicht, wo das war, aber sobald ich das Stadtzentrum erreicht hatte, begegnete ich auf der Straße einem Mann, der mir den Weg beschreiben konnte. Die Adresse war ganz in der Nähe, nur etwa anderthalb Kilometer entfernt, und in flottem Tempo steuerte ich mein Ziel an.
Als ich das Haus erreichte, war ich froh zu sehen, dass noch Licht brannte. Selbst in meiner Stimmung, so sauer und wütend wie ich war, wollte ich dennoch niemanden wecken. Außerdem wollte ich nicht mit Nikolai sprechen müssen und war daher erleichtert, als Denis die Tür öffnete.
Seine Miene verriet grenzenloses Erstaunen, als er mich sah. Trotz seiner kühnen Worte vor der Kirche hatte er vermutlich nicht wirklich damit gerechnet, dass ich mich ihm und den anderen Unversprochenen anschließen würde. Er war völlig sprachlos, also übernahm ich das Reden.
„Ich habe meine Meinung geändert. Ich komme mit euch.“ Ich holte tief Luft, bereitete mich innerlich darauf vor, was ich als Nächstes sagen würde. Ich hatte Abe zwar versprochen, Baja zu verlassen – aber ich hatte nicht versprochen, in die USA zurückzukehren. „Nehmt mich mit nach Nowosibirsk.“
16
Denis und seine beiden unversprochenen Freunde, Artur und Lew, waren außer sich vor Freude, dass ich von nun an Teil ihrer Truppe sein würde. Aber wenn sie von mir erwarteten, dass ich ihre verrückte Begeisterung für verwegene Strigoi-Jagden teilte, mussten sie sich auf eine schwere Enttäuschung gefasst machen. Tatsächlich begriffen sie jedoch schon bald, nachdem ich zu ihnen gestoßen war, dass ich ganz anders an die Jagd heranging als sie. Denis’ Freund Lew hatte einen Wagen, und auf dem Weg nach Nowosibirsk wechselten wir uns am Steuer ab. Die Fahrt dauerte etwa fünfzehn Stunden, und obwohl
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