Vampire Academy 05
begonnen, wieder eine Verbindung herzustellen. Die meiste Zeit wusste ich immer noch nicht, wie ich zu ihr stehen sollte. Ich schwankte zwischen der Sehnsucht eines kleinen Mädchens nach seiner abwesenden Mutter und dem Groll eines Teenagers, der von der Mutter verlassen worden war. Außerdem war ich mir nicht ganz sicher, ob ich ihr verziehen hatte, dass sie mich bei einem Schaukampf versehentlich geboxt hatte. „Ich hab angenommen, du hättest, du weißt schon, Wichtigeres zu tun.“
„Auf keinen Fall hätte ich dies hier versäumen können.“ Mit dem Kopf deutete sie auf die Tribünen, und ihre kastanienbraunen Locken umspielten ihr Gesicht. „Das Gleiche gilt übrigens für deinen Vater.“
„Was?“
Ich eilte zur Tür und spähte hinaus. Der Ausblick auf die Tribünen war nicht gerade fantastisch, dank all der Hindernisse auf dem Platz. Aber er war doch gut genug. Und da saß er: Abe Masur. Er war mit seinem schwarzen Bart und Schnurrbart und dem smaragdgrünen Schal, den er verknotet über seinem Smokinghemd trug, leicht zu entdecken. Ich konnte sogar gerade noch das Glitzern seines goldenen Ohrrings ausmachen. Er musste in dieser Hitze schier schmelzen, aber ich vermutete, dass mehr dazu nötig war als nur ein wenig Schweiß, damit er seinen protzigen Modestil aufgab.
Wenn die Beziehung zu meiner Mutter schon flüchtig war, so war die Beziehung zu meinem Vater praktisch nicht existent. Ich hatte ihn im Mai erst kennengelernt, und selbst da hatte ich lediglich nach meiner Rückkehr herausgefunden, dass ich seine Tochter war. Alle Dhampire hatten ein Elternteil, das ein Moroi war, und in meinem Fall traf dies auf meinen Vater zu. Ich war mir immer noch nicht sicher, wie ich ihn eigentlich fand. Sein Hintergrund blieb größtenteils ein Rätsel, aber es gab jede Menge Gerüchte, nach denen er mit illegalen Geschäften zu tun hatte. Außerdem benahmen sich die Leute so, als hielte sie die Angst vor gebrochenen Kniescheiben davon ab, ihm auch nur ansatzweise in die Quere zu kommen, und obwohl ich nur wenige Anzeichen dafür gesehen hatte, überraschte es mich doch nicht besonders. In Russland nannte man ihn Zmey: die Schlange.
Während ich ihn erstaunt anstarrte, kam meine Mom herbeigeschlendert. „Er wird glücklich sein, dass du es rechtzeitig geschafft hast“, bemerkte sie. „Er hat eine große Wette laufen, ob du wohl auftauchen würdest oder nicht. Er hat sein Geld auf dich gesetzt, falls du dich dann besser fühlst.“
Ich stöhnte. „Natürlich. Natürlich ist er der Buchmacher. Ich hätte es schon wissen müssen, als …“ Mir klappte der Unterkiefer herunter. „Redet er mit Adrian?“
Jepp. Neben Abe saß Adrian Ivashkov – mehr oder weniger mein Freund. Adrian war ein königlicher Moroi – und ein weiterer Benutzer von Geist – so wie Lissa. Er war verrückt nach mir (und oft einfach nur verrückt), seit wir uns das erste Mal begegnet waren, aber ich hatte immer nur Augen für Dimitri gehabt. Nach dem Fehlschlag in Russland war ich zurückgekehrt und hatte Adrian versprochen, ihm eine Chance zu geben. Zu meiner Überraschung waren die Dinge zwischen uns … ganz gut gewesen. Eigentlich sogar großartig. Er hatte einen Aufsatz für mich geschrieben, darüber, warum es eine kluge Entscheidung sei, mit ihm auszugehen. Der Aufsatz hatte solche Dinge eingeschlossen wie: „Ich werde das Rauchen aufgeben, es sei denn, ich brauche wirklich, wirklich eine Zigarette.“ Und: „Ich werde jede Woche romantische Überraschungen inszenieren, wie zum Beispiel: ein improvisiertes Picknick, Rosen oder einen Ausflug nach Paris – aber keins dieser drei Dinge, denn die sind ja jetzt keine Überraschungen mehr.“
Das Zusammensein mit ihm war nicht so, wie es mit Dimitri gewesen war, andererseits vermutete ich aber auch, dass keine zwei Beziehungen jemals genau gleich sein können. Schließlich waren es verschiedene Männer. Ich wachte immer noch ständig auf und litt unter dem Verlust Dimitris und unserer Liebe. Ich quälte mich wegen meines Unvermögens, ihn in Sibirien zu töten und von seinem untoten Zustand zu befreien. Trotzdem, diese Verzweiflung bedeutete nicht, dass mein Liebesleben ganz vorüber war – etwas, das zu akzeptieren ich eine Weile gebraucht hatte. Es war hart weiterzuziehen, aber Adrian machte mich tatsächlich glücklich. Und für den Augenblick war das genug.
Doch das bedeutete nicht zwangsläufig, dass ich auch wollte, dass er mit meinem Piratenmafiavater auf Tuchfühlung
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