Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Nur ein Trop
donnerten wir um das Haus herum. Meine Haut war feucht und kalt, als wir an Cordelias Eisenkrautbeet vorbeikamen, wo die winzigen Halme knöchelhoch standen.
» Wohin bringst du uns, Bruder?«, fragte Damon.
Ich hörte, wie die Hufe dreier Pferde im Wasser spritzten, als Jonathan Gilbert, Bürgermeister Lockwood und Sheriff Forbes an dem Teich im hinteren Teil unseres Besitzes entlangritten. Mezanotte keuchte und hatte Schaum vor dem Maul, und ich wusste, dass es unmöglich war, unseren Verfolgern zu Pferde zu entkommen.
Plötzlich übertönte das heisere Pfeifen eines Zuges alles andere– die Hufe, den Wind, das metallische Scharren eines Gewehrs, das nachgeladen wurde.
» Diesen Zug nehmen wir«, sagte ich entschlossen und trat Mezanotte in die Flanken. Mit gesenktem Haupt raste sie auf die Steinmauer zu, die Veritas von der Straße trennte, und segelte darüber.
» Komm schon, Mädchen«, flüsterte ich. Ihre Augen waren wild und verängstigt, aber sie erhöhte das Tempo noch mehr und rannte die Straße hinunter und auf die Hauptstraße. Die verkohlte Kirche kam in Sicht, geschwärzte Ziegelsteine, die sich wie Zähne aus der aschegrauen Erde erhoben. Die Apotheke war jetzt ebenfalls bis auf die Grundmauern niedergebrannt. An jedem einzelnen Türrahmen in der Stadt hingen Kruzifixe, die meisten zusätzlich umrahmt von Eisenkrautgirlanden. Ich erkannte die Stadt kaum wieder, in der ich meine gesamten siebzehn Lebensjahre verbracht hatte. Mystic Falls war nicht mein Zuhause. Nicht mehr.
Hinter uns kamen Jonathan Gilbert und die anderen immer näher. Vor uns konnte ich den Zug herannahen hören, er knirschte auf den Schienen. Der Schaum vor Mezanottes Maul färbte sich rosa von Blut. Meine Reißzähne waren trocken. Ich leckte meine ausgedörrten Lippen und fragte mich, ob dieses ständige Verlangen nach Blut damit zusammenhing, dass ich gerade erst zum Vampir geworden war– oder ob ich wohl immer so empfinden würde.
» Bist du so weit, Bruder?«, fragte ich und riss Mezanotte an den Zügeln. Sie blieb vor dem Bahnhof stehen und gab mir gerade noch genug Zeit um abzuspringen, bevor sie zusammenbrach. Blut schoss aus ihrem Maul.
Ein Schuss fiel und aus Mezanottes Flanke quoll Blut. Ich packte Damon an den Handgelenken und katapultierte uns beide auf die Plattform eines Waggons, kurz bevor der Zug stampfend und fauchend den Bahnhof verließ. Die wütenden Rufe von Jonathan Gilbert und seinen Männern verhallten rasch hinter uns.
Kapitel Vier
Pechschwarze Dunkelheit empfing uns in dem Waggon. Aber da wir als Vampire nicht mehr nachtblind waren, konnten wir uns einen Weg durch den Haufen rußiger Kohle bahnen, der in diesem Packwagen transportiert wurde. Schließlich gelangten wir durch eine Tür in einen Waggon, bei dem es sich um einen Schlafwagen der ersten Klasse handeln musste. Unbeobachtet stahlen wir aus einem Schrankkoffer Hemden und Hosen und zogen sie an. Sie passten nicht perfekt, aber sie würden ihren Zweck erfüllen.
Als wir uns auf dem Gang des Wagens weiter vorwagten, rumpelte der Zug unter unseren Füßen, und auf meiner Schulter spürte ich plötzlich eine Hand. Instinktiv schlug ich hinter mich und knurrte. Mein Hieb warf einen Mann in Schaffneruniform rückwärts gegen die Wand eines Abteils, wo er mit einem dumpfen Laut aufprallte.
Ich presste die Kiefer aufeinander, damit meine Reißzähne nicht herausragten. » Oh, bitte entschuldigen Sie! Sie haben mich erschreckt, und…« Ich brach ab. Der Klang meiner Stimme war mir selbst fremd. Während der letzten Woche hatte ich fast ausschließlich mit einem heiseren Flüstern gesprochen. Es überraschte mich, wie menschlich ich jetzt klang. Aber ich war viel mächtiger, als meine Stimme ahnen ließ. Ich hievte den Mann auf die Füße und rückte seine marineblaue Mütze zurecht. » Haben Sie sich verletzt?«
» Ich glaube nicht«, antwortete der Schaffner benommen und klopfte seine Arme ab, als wolle er sich davon überzeugen, dass sie noch da waren. Er sah wie ungefähr zwanzig aus, hatte fahle Haut und sandfarbenes Haar. » Ihr Fahrschein?«
» Oh ja, die Fahrscheine«, warf Damon mit ruhiger Stimme ein, der nicht zu entnehmen war, dass wir nur ein paar Minuten zuvor um unser Leben geritten waren. » Die hat mein Bruder.«
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, und er lächelte mich an, gelassen, spöttisch. Ich musterte ihn. Seine Stiefel waren schlammig und nicht geschnürt, das fremde Leinenhemd hing ihm aus der Hose, aber trotzdem
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