Vampire Earth 1 - Tag der Finsternis
einen langen Stab in der Hand, der an einer Seite in eine Metallkeule überging und auf der anderen eine Schlinge hatte.
»Heh, er soll seine Gestalt nochmal verändern«, rief ein Mann und warf einen Stein in den gut beleuchteten Käfig. Er drückte dem Wärter in der Khakiuniform ein paar Geldscheine in die Hand.
Valentine reckte den Hals, um in den Käfig schauen zu können. In dem Kreis mit etwa vier Meter Durchmesser stand ein einzelner Baum, rindenlos und so tot wie Treibholz. Eine Schlange hatte sich um den Baum gerollt und den Kopf in der Gabel zweier Äste verborgen.
»Sicher, das lässt sich machen«, sagte der Wärter und schob das Metallende des Stabs in den Käfig. Er tippte der Schlange zweimal auf den Kopf.
Ein Schaudern schien den Schlangenkörper entlangzulaufen - ein Schaudern, das das Reptil verschwimmen ließ. Während Valentine verblüfft zusah, verwandelte sich die Schlange in einen Orang-Utan, der an einem langen Arm am Baum hing und sich dann auf den Boden fallen ließ. Er stopfte sich einen verfaulten Apfel ins Maul und fraß gierig.
»Wie zum Teufel haben Sie das gemacht?«, rief eine Stimme aus der Menge.
»Das war nicht ich, sondern er«, erklärte der Wärter. »Was Sie hier sehen, ist ein Verwandter der Kur. Es ist der Einzige, der je gefangen und ausgestellt wurde. Sie können die Gestalt verändern, und sie können so gut wie unsichtbar werden. Sie sind die Drahtzieher hinter den Terroristen und Rebellen, die sich in den Hügeln verstecken. Die Rebellen verehren sie als Götter. Die einzige Möglichkeit, sie zu erfreuen, besteht darin, ihnen Skalps zu bringen, und die Rebellen sind nicht wählerisch dabei, welches Haar sie nehmen. Es heißt, dieser hier hätte fünfzehn oder zwanzig kleine blonde Skalps gehabt. Gott allein weiß, was die Rebellen diesen Kindern angetan haben, bevor sie skalpiert wurden.«
»So ein Ungeheuer!«, sagte einer der Soldaten und warf einen Stein nach der sitzenden Gestalt. Der Stein fiel neben dem Orang-Utan zu Boden, und Dreck spritzte auf das Geschöpf.
Der Affe ließ seinen traurigen Blick über die Menge schweifen. Weitere Steine flogen, und einige trafen den breiten Rücken des Geschöpfs. Dann fand sein Blick den von Valentine, und er zuckte zusammen wie von einem elektrischen Schlag getroffen.
Lee … Lee Valentine, sagte eine Stimme in Valentines Kopf. Bitte lass es nicht wieder Wahnsinn sein! O Lee, bist du es wirklich? Ist es möglich, dass du hier bist? Ich bin es, Rho, der Uralte. Einer der Ersten. Bei den Toren, bist du gekommen, um meine Qualen zu beenden? Bitte sag, dass Paul Samuels irgendwo bei dir ist, und Ghang Ankor. Die Jahre … die Jahre haben ihr Lied gesungen und die Erde weiter gedreht, seit wir uns zum letzten Mal begegnet sind. Bitte sag, dass ich nach all diesen Schlägen und Blicken endlich frei sein werde.
All dies zuckte blitzschnell durch Valentines Kopf. Er antwortete: Nein, ich bin nicht der Valentine, den du kanntest. Ich bin David, sein Sohn. Mein Vater ist seit über zehn Jahren tot.
Sohn? Sohn? Ich spüre, dass du ein Jäger bist. Ich weiß nicht, was dich herführt, aber ich fühle, dass nicht ich es bin. Du willst unbedingt weiterziehen und bist ängstlich, besorgt und hasserfüllt, voller Hoffnung und … verliebt. Oh, ich würde mich selbst töten, wenn ich nur könnte! Aber sie beobachten mich. Sie beobachten mich ununterbrochen mit ihren trüben Augen. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe. Jahre des Missbrauchs, des Hungers und der Folter. Der Orang-Utan starrte Valentine an. Bitte töte mich, wenn du mich nicht herausholen kannst. Wenn ich meine natürliche Lebensspanne erfülle, könnte ich noch Hunderte von Jahren hierbleiben, bis diese Gitterstäbe verrosten und sie sie durch andere ersetzen.
Etwas durchsuchte seinen Geist. Valentine zog sich in sich zurück.
Es tut mir leid, so leid, dachte Valentine, wandte sich von dem Käfig ab, ging davon und füllte seinen Kopf weiterhin mit Es tut mir leid. Die Qual des gefangenen Weltenwebers hatte sich seinen Gedanken direkt mitgeteilt, aber Valentine konnte nicht zulassen, dass er von Verzweiflung überwältigt
wurde, während Molly in einem Käfig wartete und ein Schlächter nach seinem Lebenszeichen jagte.
Er eilte an den nun anderweitig genutzten Tierkäfigen vorbei. In einem kletterte eine nackte Frau auf einem künstlichen Baum herum und verbarg und zeigte sich abwechselnd den johlenden, pfeifenden Bewunderern. Ein paar
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