Vampire Earth 2 - Wolfsdämmerung
jungen Offizier und Protokollführer. »Noch so eine Äußerung, und ich werde meinen Tadel protokollieren lassen, Captain McKendrick. Bitte, fahren Sie fort.«
Valentine wäre weitaus lieber wieder auf dem Little Timber Hill gewesen, als mitten zwischen den Heckenschützen dieser Verhandlung zu sitzen. Er verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl. Ein bitterer Geschmack lag ihm auf der Zunge.
»Danke, Colonel«, nahm sein Verteidiger den Faden wieder auf. »Ich möchte den Colonel nur bitten, das Wohl der Truppe im Auge zu behalten. Wenn wir die Handlungsfähigkeit unserer Offiziere beschränken, indem wir sie für die Entscheidungen, die sie im Gefecht treffen mussten, vor das Kriegsgericht stellen, werden wir bald eine äußerst zaghafte Truppe von Wölfen haben. Lieutenant Valentine war auf dem Little Timber Hill, wir nicht. Und er war der kommandierende Offizier. Ihn dafür zu bestrafen, dieser Verantwortung nachzukommen, wäre der Gipfel der Torheit.«
McKendrick setzte sich auf seinen Holzstuhl und rutschte mit herrischem Kreischen über den Boden zum Tisch.
Colonel Chalmers betrachtete die Papiere, die vor ihr lagen. »Lieutenant Valentine, haben Sie noch etwas zu sagen, ehe ich meine Entscheidung treffe?«
McKendrik stupste ihn an und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Valentine erhob sich, um dem Colonel zu antworten. »Nein danke, Sir.«
»Würden Sie dann bitte in den Warteraum gehen, während ich die Angelegenheit mit den Captains bespreche.«
»Sir«, sagte Valentine und verließ den Raum.
In dem kleinen Zimmer erwartete ihn ein Gesicht, das ihm mehr als willkommen war. Baker, der Wolf, der ihn bei dem Überfall auf Rigyard unterstützt hatte, lag bequem ausgestreckt auf einem Sofa und las ein vergilbtes Buch.
»Hey, Lieutenant, was ist passiert?«
Der Anblick des vertrauten Gesichts war wie ein kühler Luftzug in der Hölle für Valentine. »Baker!«, sagte er, bemüht, seine stoische Maske nicht zu weit fallen zu lassen. »Was machen Sie denn hier? Foxtrott soll doch in einem Musterungslager sein, um neue Leute aufzutreiben.«
»Ich gehöre nicht mehr zur Foxtrott-Kompanie, Sir. Hab mich um einen Posten im Logistikkommando beworben.«
»Sie, ein Schnorrer?«
»Ja. ›Das Rückgrat der Armee sind die Unteroffiziere‹ und so, aber wir brauchen Fleisch und Schuhe, die nicht aus alten Autoreifen gemacht sind.«
»Viel Glück, wo immer Sie das hinführt. Die Wölfe werden Sie vermissen.«
Baker zuckte mit den Schultern, doch bei seinem Stiernacken erinnerte die Geste eher an eine Schildkröte, die sich ins Innere ihres Panzers zurückziehen wollte. »Ich habe gern unter Ihnen gedient, aber bei Gott, wären Sie und diese Katze nicht gewesen, dann wären wir jetzt alle tot. Und was haben Sie davon? Sie werden vors Militärgericht gezerrt.«
»Nicht vors Militärgericht. Das ist nur ein Untersuchungsausschuss. Das ist etwas anderes.« Die Worte kamen ihm leicht über die Lippen, immerhin hatte Valentine sich
eben das in der letzten Woche hundertmal am Tag vorgebetet:
Ein Untersuchungsausschuss kann mich nicht umbringen.
Baker wühlte in seinem Rucksack. »Wo ist denn jetzt …? Hier, Mr. Valentine, ich habe Ihnen ein bisschen flüssigen Auftrieb mitgebracht«, sagte er und zog eine nicht eben kleine verkorkte Flasche hervor. »Ist auch kein Schädelspalter, sondern echter Kentucky Whiskey. Berber oder so. Jeder der Männer im Zug hat etwas beigesteuert, um ihn einem fahrenden Händler abzukaufen. Bill Miranda vom zweiten Trupp ist in Kentucky aufgewachsen. Er hat ihn gekostet und verbürgt sich für die Echtheit. Na ja, er hat ein paarmal gekostet, aber wir haben eine große Kanne gekauft und dachten, es wird Ihnen nichts ausmachen, wenn ein, zwei Schluck fehlen. Kosten?«
»Zu gern. Aber ich muss nochmal zurück in den Gerichtssaal oder wie immer die das nennen. Nicht der beste Zeitpunkt, um betrunken aufzukreuzen.«
Sie unterhielten sich über die kleinen Dinge des Alltags im Zug und der Kompanie, von den halben Kindern mit den unschuldigen Gesichtern, die zu Wölfen werden sollten, bis hin zum Mangel an vernünftigen Decken, um die verlorengegangenen zu ersetzen.
»Die letzte Lieferung«, klagte Baker, »hat sich aufgelöst, als wir mal nass geworden sind. Wie zum Teufel macht man eine Decke aus Sägemehl, das würde ich gern mal wissen. Die Fäden hätten sich lösen müssen, wären denn Fäden da gewesen. Vergeuden die denn sämtliche Wolle für die schicken Uniformen der
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