Vampire Earth 2 - Wolfsdämmerung

einem gewissen Bedauern die Freiheit; er würde den streitlustigen Gefährten vermissen. Wie es auch bei Eltern häufig geschah, die mit einem rebellischen Kind zurechtkommen mussten, hatte der stete Kampf mit der blutrünstigen Bestie die Beziehung der beiden Katzen untereinander verfestigt. Sie ließen die Tiere grasend auf einem Feld zurück, auf dem unzählige weiße Kleeblüten zu sehen waren, schulterten ihre neuerdings wieder schweren Bündel und gingen hinüber in den Gulag.

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    D er Südosten Nebraskas im Juli: Der Great Plains Gulag liefert der kurischen Zone Weizen und Mais. Bäuerliche Kollektive, geführt mit einer Disziplin, die Stalin vor Neid erblassen ließe, tüpfeln die ausgedehnten Ebenen der Plains. Fruchtbares Ackerland ist aufgeteilt in Gebiete von ungefähr achtzig Kilometer Durchmesser, die sich rund um die wichtigsten Kopfbahnhöfe und ihre mächtigen Getreideheber verteilen. Im Mittelpunkt des Kreises sitzt der kurische Lord wie eine Spinne im Netz. Seine Augen und Ohren und seinen Appetit verkörpern seine Schlächter. Die Schlächter leiten die Anweisungen des Meisters weiter an ihre untergebenen Marshals und Vorsteher und sorgen dafür, dass diese ihren Dienst mit der Hingabe versehen, die von jenen erwartet wird, deren Aura nicht als Futter für den kurischen Oberherrscher vorgesehen ist.
    Der Handel ist in diesem Teil des Landes ein tragisches Geschäft. Güterwagen voller Mais und Getreide verlassen den Gulag, um die Bevölkerung anderenorts zu ernähren, und kehren mit ein paar Dutzend
Gefangenen - Kriminelle und anderweitig verzichtbare Personen - als Bezahlung zurück. Die Marshals holen die Unglückseligen aus den Waggon s und übergeben die Gefangenen ihrem Schicksal, wohlwissend, dass jeder Unbekannte, der an den kurischen Lord verfüttert wird, einen Freund oder Nachbarn davor bewahren kann, ausgewählt und dem Tod in der Nacht preisgegeben zu werden. Gerüchten zufolge gibt es in Dallas, Chicago, Atlanta und Seattle Aktienmärkte, an denen die gleiche Aufregung wie seinerzeit in der Alten Welt herrscht, die sich jedoch mit dem Ankauf und Verkauf von Weizen, Mais, Soja, Gerste und Hülsenfrüchten gegen Menschenleben befassen. Der Handel wird streng kontrolliert und von den Buchhaltern und Händlern im Dienst ihrer kurischen Lords geleitet, stets in dem Bestreben, den besten Handel, gerechnet in Menschenleben pro Tonne, abzuschließen. Ein Zukunftsmarkt für die, die keine Zukunft haben.
    Lincoln, ehemals die Hauptstadt von Nebraska, liefert ein gutes Beispiel für die kurische Herrschaft über den Gulag. Der dunkle Lord lebt passenderweise in einem vierzehnstöckigen Gebäude, das drohend über der geschrumpften Silhouette der Stadt aufragt. Die solide Bauweise, der imposante Ausblick und unzählige Statuen und Ornamente schmeicheln dem Größenwahn im Inneren des Gebäudes. Aber eine wertvolle Statue aus der Zeit vor der kurischen Herrschaft fehlt: Daniel Chester Frenchs Studie eines ernsten, aufrecht stehenden Lincoln. Manche behaupten, die Kur hätten sie zerstört, so wie sie es mit der größeren und berühmteren Statue im Lincoln Memorial in Washington D.C. taten, andere jedoch beharren darauf, sie sei aus der Stadt geschafft worden und residiere nun in einem der freien Gebiete des Westens, gleichsam eine verborgene Ikone der Freiheit.
    Die Leute, die in diesem Reich leben, nennen den kurischen Lord »Nummer Eins«, und nichts weckt schneller die Aufmerksamkeit der hiesigen Quislinge als jemand, der einen Raum betritt und ankündigt, »Anweisungen von Nummer Eins« erhalten zu haben. Gleich gegenüber dem gefürchteten Turm steht das alte City-County Building,
heute nur noch die »Festung« genannt. Hier haben die örtlichen Marshals Quartier bezogen, und das weitläufige Gefängnis ist die letzte Station für diejenigen, die auf dem Weg zu den Schlächtern sind. Die Stadt ist heute die Heimat von Handwerkern und Technikern im Dienst der kurischen Herrschaft und zugleich das Hauptdepot der Truppe. Ihre gepanzerten Wagen und Trucks werden in einer riesigen Garage gewartet, dem ehemaligen Pershing Center. Der Regionaldirektor, ein Quisling, der verantwortlich für den üppigen Gürtel aus Ackerland im Herrschaftsbereich des Kur ist, lebt (so es Nummer Eins gefällt) in dem im georgianischen Kolonialstil erbauten Gouverneurspalast, einem Haus mit einer traurigen Geschichte: Die verschiedenen Regionaldirektoren und ihre Familien erlebten Attentate und Selbstmorde und die