Vampire schlafen fest
ich sowieso nie tun«, sagte Amelia.
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass Amelia ziemlich taktlos sein konnte?
»Warum das denn nicht?«, fragte ich leicht verletzt.
»Bob war kein Zufallsgriff«, erklärte Amelia und blickte so verlegen drein, wie es ihr irgend möglich war. »Ich stehe auf so dürre, dunkelhaarige Typen.«
»Tja, damit muss ich mich wohl abfinden«, sagte ich und versuchte tief enttäuscht dreinzuschauen. Amelia warf ein Tee-Ei nach mir, das ich gerade noch auffangen konnte.
»Gute Reflexe«, sagte sie verblüfft.
Ich zuckte die Achseln. Es war Urzeiten her, seit ich Vampirblut bekommen hatte, aber ein winziger Rest schwappte wohl noch durch meine Adern. Ich war immer gesund gewesen, aber momentan bekam ich noch nicht einmal Kopfschmerzen. Und ich bewegte mich ein bisschen schneller als die meisten Leute. Allerdings war ich nicht die Einzige, die von den Vorteilen des Vampirbluts profitierte. Jetzt, da die Auswirkungen allgemein bekannt waren, wurden immer mehr Vampire selbst zu Opfern. Ihr Blut in Phiolen abzufüllen und auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen war ein lukratives, aber auch äußerst gefährliches Geschäft. Erst heute Morgen hatte ich gehört, dass ein Ausbluter aus seinem Apartment in Texas verschwunden war, nachdem man ihn auf Bewährung freigelassen hatte. Wer sich einen Vampir zum Feind machte, hatte schon verloren. Vampire konnten stets sehr viel länger warten als man selbst.
»Vielleicht ist es das Elfenblut«, sagte Amelia und sah mich nachdenklich an.
Wieder zuckte ich die Achseln, diesmal mit einer eindeutigen Lass-das-Thema-endlich-fallen-Miene. Vor kurzem erst hatte ich erfahren, dass es unter meinen Vorfahren Elfen gab. Froh war ich darüber allerdings nicht. Ich wusste ja nicht mal, aus welchem Teil meiner Familie dieses Erbe stammte, geschweige denn, von welchem Verwandten. Ich wusste nur, dass irgendwann in der Vergangenheit irgendeiner in meiner Familie ziemlich persönlich mit einer Elfe zu tun gehabt hatte. Stundenlang hatte ich mich über vergilbte Stammbäume und die Familiengeschichte meiner Großmutter gebeugt, die diese mühsam zusammengetragen hatte. Doch es war kein einziger Hinweis aufgetaucht.
Als hätten meine Gedanken sie herbeigerufen, klopfte in diesem Augenblick Claudine an die Hintertür. Sie war nicht mit hauchdünnen Flügeln herbeigeschwebt, sondern profan mit dem Auto vorgefahren. Claudine ist eine vollblütige Elfe und kann sich durchaus auch auf andere Weise fortbewegen, doch das tut sie nur im äußersten Notfall. Sie ist sehr groß, hat langes, welliges dunkles Haar und schrägstehende dunkle Augen. Das Haar trägt sie stets über die Ohren frisiert, denn im Gegensatz zu ihrem Zwillingsbruder Claude hat sie sich die Spitzen nicht wegoperieren lassen.
Begeistert schloss Claudine mich in die Arme, begrüßte Amelia aber nur mit einem Winken aus einiger Entfernung. Die beiden waren sich nicht allzu grün. Amelia hatte sich die Zauberkunst hart erarbeitet, Claudine dagegen war ein Zauberwesen durch und durch. Und so traute keine der beiden der anderen so recht über den Weg.
Normalerweise ist Claudine das fröhlichste Geschöpf, dem ich je begegnet bin. Sie ist freundlich, liebenswürdig und hilfsbereit wie eine übernatürliche Pfadfinderin, weil es ihrem Wesen entspricht und weil sie sich in der Hierarchie der Zauberwelt bis zum Engel hinaufarbeiten will. Doch heute Abend wirkte Claudines Miene ungewöhnlich ernst. Mir sank das Herz. Ich wollte nur noch ins Bett und ganz für mich allein an Quinn denken, und ich wollte all den Stress und Ärger aus dem Merlotte's hinter mir lassen. Auf keinen Fall wollte ich schlechte Nachrichten hören.
Claudine setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch und ergriff meine Hände. Amelia war ihr genau einen Blick wert. »Verschwinde, Hexe«, sagte sie. Ich war schockiert.
»Spitzohrige Zicke«, murmelte Amelia und stand mit dem Teebecher in der Hand auf.
»Mörderin«, giftete Claudine zurück.
»Er ist nicht tot!«, kreischte Amelia. »Er ist nur - anders!«
Claudine schnaubte, eine ziemlich angemessene Reaktion.
Ich war zu müde, um Claudine wegen ihrer beispiellosen Unhöflichkeit zu ermahnen. Und sie hielt meine Hände viel zu fest umklammert, als dass mich ihre Anwesenheit beruhigt hätte. »Was ist los?«, fragte ich. Amelia stürmte aus der Küche, und ich hörte ihre Schritte auf der Treppe nach oben ins erste Stockwerk.
»Sind auch keine Vampire hier?«, fragte Claudine. Ihre
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