Vampire, Scones und Edmund Herondale: Die Chroniken des Magnus Bane (03) (German Edition)
eine Krone um ihren Kopf gewunden hatte, schien viel zu schwer für so einen kleinen Kopf auf so einem zierlichen Hals.
»Ihre Augen …«, sagte sie langsam. »Ich glaube, Sie müssen eine gute Fee sein, Sir. Was Ihr Gefährte ist, kann ich nicht sagen.«
Magnus warf einen Blick über seine Schulter zurück zu seinem Begleiter, den er beinahe vergessen hätte. Der Dämon war nur noch ein kleines Häufchen Staub zu Edmunds Füßen, der nun, da sein Feind endgültig bezwungen war, seine ganze Aufmerksamkeit auf die Kutsche richtete. Magnus beobachtete, wie sich in Edmunds Augen ein Funke an Linettes Anblick entzündete und sich im Bruchteil einer Sekunde von Kerzenlicht zu Sonnenfeuer verwandelte.
»Was ich bin?«, fragte er. »Ich bin Edmund Herondale, meine Dame, und ich stehe Ihnen allzeit zu Diensten. Sofern Sie es mir gestatten.«
Auf seinem Gesicht machte sich ein umwerfendes Lächeln breit. In dieser schmalen dunklen Gasse, weit nach Mitternacht, wirkten seine Augen wie der Hochsommer.
»Ich möchte nicht unhöflich oder undankbar erscheinen«, erwiderte Linette Owens, »aber: Sind Sie ein gefährlicher Irrer?«
Edmund blinzelte.
»Mir ist leider nicht entgangen, dass Sie bis an die Zähne bewaffnet durch die Gegend laufen. Haben Sie etwa erwartet, dass Sie heute Nacht mit einem Monster kämpfen würden?«
»Nicht direkt ‚erwartet‘«, antwortete Edmund.
»Dann sind Sie vielleicht ein Auftragsmörder?«, fragte Linette weiter. »Oder ein übereifriger Soldat?«
»Madam«, sagte Edmund. »Ich bin ein Schattenjäger.«
»Diesen Ausdruck habe ich noch nie gehört. Können Sie zaubern?«, erkundigte sich Linette, wobei sie eine Hand auf Magnus’ Ärmel legte. »Dieser Herr hier kann zaubern.«
Sie schenkte Magnus ein anerkennendes Lächeln. Magnus empfand äußerste Genugtuung.
»Es ist mir eine Ehre, Ihnen behilflich zu sein, Miss Owens«, murmelte er.
Edmund sah aus, als hätte man ihn mit einem Fisch geohrfeigt.
»Aber – selbstverständlich kann ich
nicht
zaubern!«, brachte er so entrüstet hervor, wie es sich für einen Schattenjäger angesichts dieser Vorstellung gebührte.
»Oh, nun ja«, erwiderte Linette offensichtlich zutiefst enttäuscht. »Dafür können Sie ja nichts. Wir alle müssen mit dem auskommen, was man uns mitgegeben hat. Ich stehe tief in Ihrer Schuld, Sir, weil Sie meine Freundin und mich vor einem unaussprechlichen Schicksal bewahrt haben.«
Edmund baute sich stolz vor ihr auf. »Aber das ist doch selbstverständlich. Es wäre mir eine Ehre, Sie nach Hause zu begleiten, Miss Owens. Die Straßen rund um Mall Pall können für Frauen nachts sehr gefährlich sein.«
Schweigen.
»Meinen Sie Pall Mall?«, fragte Linette und lächelte sanft. »Ich bin hier nicht diejenige, die unter starkem Alkoholeinfluss steht. Sollte nicht lieber ich Sie nach Hause bringen, Mr Herondale?«
Edmund Herondale war sprachlos. Magnus hatte den Verdacht, dass dies eine völlig neue Erfahrung für ihn war, die ihm aber sicherlich guttun würde.
Miss Owens wandte sich kaum merklich von Edmund wieder zu Magnus um.
»Meine Zofe Angharad und ich kommen gerade von meinem Anwesen in Wales«, erklärte sie. »Wir werden die Ballsaison bei einer entfernten Verwandten von mir verbringen. Wir haben bereits eine lange und anstrengende Reise hinter uns und ich wollte London unbedingt noch vor Anbruch der Nacht erreichen. Das war wirklich dumm und unvernünftig von mir und hat Angharad in große Gefahr gebracht. Ich kann Ihnen gar nicht genug für Ihre Hilfe danken.«
Linette Owens Worte verrieten Magnus noch viel mehr, als sie tatsächlich gesagt hatte. Sie hatte ganz beiläufig von ihrem Anwesen gesprochen, nicht von dem ihres Herrn Papa – wie jemand, der mit einem solchen Besitz wohlvertraut war. Dazu kamen der kostbare Stoff ihres Kleides und die Art und Weise, wie sie sich gab – all das verriet Magnus, dass er eine Erbin vor sich hatte, und zwar nicht nur die Erbineines Vermögens, sondern gleich eines ganzen Anwesens. So, wie sie von Wales sprach, war Magnus sich sicher, dass sie keinen Verwalter duldete, der sich aus der Ferne um ihre Ländereien kümmerte. In den Augen der Gesellschaft war es ein Skandal, ja, eine Schande, wenn sich ein solches Anwesen ganz allein im Besitz einer Frau befand, erst recht, wenn es sich um eine so hübsche und junge Frau handelte. Daher musste sie baldmöglichst heiraten, damit sich von da an ihr Ehemann um das Anwesen kümmern und sowohl die Ländereien als
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