VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
mir nicht erzählt, er wäre jünger als du?«
»Benjamin hat Geld und reichlich Erfahrungen im Kampf gegen Vampire. Menschen wie ich müssen sich ihren Weg nach oben erst verdienen.«
Ich stehe auf und gehe zu ihm hinüber. Dann flüstere ich ihm ins Ohr: »Und wie verdienst du ihn dir?«
Er zögert. Dann nimmt er meinen gesunden Arm. »Ich zeige es dir.«
Mit einer Taschenlampe leuchtet uns Ned den Weg über eine dunkle Treppe hinunter in einen kalten, feuchten Keller. Auf der linken Seite ist ein großer Raum mit einem Steinboden.
»Hierher kommen sie heute Nacht, um das Ritual durchzuführen«, erklärt er mir. »Einzelheiten des Ablaufs kenne ich nicht, denn ich war noch nie dabei.«
Ein metallisches Rasseln erschrickt mich. »Wer ist da?«
»Nicht wer.« Ned lässt den Lichtkegel der Taschenlampe an die gegenüberliegende Wand wandern. »Was.«
Stählerne Gitterstäbe werfen Schatten auf einen jungen, breitschultrigen Riesen, der hinter dem Gitter auf dem Boden kauert. Sein Gesicht ist schmutzig, rußig. Mit blassgrünen Augen stiert er vor sich hin.
»Was geht hier vor?«, bringe ich mit erstickter Stimme heraus.
»Hab keine Angst! Wir sind in Sicherheit«, beruhigt mich Ned. »Er ist doch eingesperrt.«
Der Gefangene hinter den Gittern blinzelt. Dann wandert sein Blick in unsere Richtung, heftet sich auf den Boden vor unseren Füßen. Jetzt erkenne ich, dass das, was ich in seinem Gesicht für Schmutz gehalten habe, Narben sind. Viele Narben. Das unverwechselbare rußige Schwarz von Haut nach einer Weihwasserverbrennung.
Unter den Verbrennungen scheinen mir die Gesichtszüge des Vampirs seltsam vertraut. Ich trete einen Schritt näher an das Gitter heran und neige den Kopf. Die scharf geschnittene Nase, das kräftige Kinn und der braune Haarschopf erinnern mich an …
Ein Schauer läuft mir den Rücken hinab, vom Nacken die ganze Wirbelsäule hinunter, um dann als heißer Blitz wieder hinaufzurasen und in meinem Schädel einzuschlagen.
»Jacob …« Jacob, einer von Gideons Leibwächtern, einer seiner Abkömmlinge. Jacob, der in Davids Haus eingedrungen war und versucht hat, uns zu töten. Jacob, der sich so sicher wie das Amen in der Kirche geschworen hat, mich und Shane zu töten, um seinen Blutvater zu rächen.
»Gideons rechte Hand, ja.« Ned schwenkt die Taschenlampe zur Rückseite des Käfigs. »Und da ist die linke Hand.«
Im Lichtkegel hockt in sich zusammengesunken ein weiterer Hüne in den Zwanzigern. Die Arme hat er um die Knie geschlungen. Wie sein Blutbruder Jacob ist Wallace in den frühen sechziger Jahren zum Vampir gemacht geworden, aber sein schwarzes Haar hat, anders als Jacobs, einen kurzen Bürstenschnitt. Unruhig wiegt Wallace sich hin und her. Aber er schaut nicht auf, selbst dann nicht, als Ned ihm mit der Taschenlampe direkt ins Gesicht leuchtet. Das Gesicht ist übersät mit schwarzen Verbrennungsnarben.
Ich fahre einen Schritt zurück, bereit zur Flucht. »Warum hast du mich hierhergebracht?«
»Hab keine Angst!«, bemüht sich Ned, mich zu beruhigen. Ich brauche einen Augenblick, bis mir aufgeht, dass der mir seltsam erscheinende Unterton in seiner Stimme Eifer ist. »Sie sind ausgehungert, zu schwach, um auf jemanden loszugehen. Aber wenn’s dir dann besser geht, hier, nimm die Taschenlampe!«
Ich umklammere den langen Griff der Lampe, deren Gewicht mir trügerisch Sicherheit verspricht. »Hatte die Liga die beiden nicht unter Verschluss?«
»Arrangieren kann man immer etwas. Um meine Loyalität der Festung gegenüber auf die Probe zu stellen, hat man mir die Aufgabe übertragen, für sie zu sorgen.« Er zieht die Nase hoch. »Sofern man das so nennen kann.«
»Was will die Festung denn von den beiden? Informationen?«
»Pah, was wir über Vampire wissen müssen, wissen wir doch schon längst!«
Mit der Taschenlampe leuchte ich nach links. Das Licht enthüllt einen weiteren Käfig von derselben Machart und Größe wie der, in dem Gideons Abkömmlinge stecken. Die Käfige unterscheiden sich nur darin, dass dieser zweite ein Feldbett und eine Kloschüssel aufweist und leer ist.
Dieser Käfig ist für Menschen gedacht.
»Ich muss hier raus!«
Zu meiner Überraschung sagt Ned: »Okay. Ich bekäme sowieso ziemlich Ärger, wenn die Ältesten herausfänden, dass ich dich nach hier unten gebracht habe. Hast du Hunger? Möchtest du vielleicht mit mir essen gehen? Da ist ein richtig guter Thai, der erst kürzlich aufgemacht hat, gleich …« Mitten im Satz bricht
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