VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
Schicksal als dem Tod zu bewahren.«
Ich brauche einen Moment, um seiner verdrehten Argumentation zu folgen. »Vor welchem schlimmeren Schicksal denn?«
»Vor der Verdammnis.«
Ich blicke meinen Arm hinunter. Dort geht alles seinen ordnungsgemäßen und verabscheuungswürdigen Gang. »Dann hat also jemand Sara zum Vampir gemacht. Ich kann verstehen, warum Sie einen Hass auf Vampire haben.« Ich erinnere mich gut daran: wie Davids Stimme bebte, als er erzählte, wie er Elizabeths Blutvater Antoine gejagt und schließlich gestellt hat. »Haben Sie Ihre Vergeltung bekommen?«
Benjamin verschränkt die Arme vor der Brust, ohne seine vorgeblich lässige Haltung aufzugeben. »Noch nicht.«
Ich will schon fragen, worauf er denn noch wartet, da geht mir ein Licht auf. Er wartet gar nicht mehr.
Regina hat Sara in einen Vampir verwandelt. Regina war das eigentlich Ziel der Angriffe auf WVMP durch den Piratensender. Vielleicht war das erbarmungslose Unterdrücken aller Darbietungen von Künstlerinnen nur ein Täuschungsmanöver – oder ein Einfall, der auf dem Mist von FAN gewachsen ist. Aber warum hat Shane mir gegenüber seine Blutschwester nie erwähnt?
»Was ist mit Sara passiert?«, frage ich Benjamin. Denn ich werde vielleicht nie mehr die Gelegenheit haben, Shane danach zu fragen. Oder ihn noch einmal wiederzusehen. Oder überhaupt noch einmal mit ihm zu sprechen. Oder … rasch blocke ich diesen Gedanken ab, bevor ich noch in Tränen ausbreche.
In schlecht gespielter Gleichgültigkeit zuckt Benjamin mit den Schultern. »Es hat keine Bedeutung mehr. Das Einzige, was Bedeutung hat, ist das, was nicht passiert ist. Die Liga war viel zu sehr an den formaljuristischen Details des Falles interessiert, als dass sie Gerechtigkeit zu üben bereit gewesen wäre.« Er macht eine abschätzige Handbewegung. »An Fragen wie: Worin definiert sich eine freie Willensäußerung, wann darf etwas als Zustimmung gewertet werden und gibt es, was ja tatsächlich der Fall in dieser Welt ist, Unfälle, die sich nicht verhindern lassen, weil sie einem einfach zustoßen.«
Unfälle. Regina hatte Colin gegenüber behauptet, es sei ein Unfall gewesen. Aber Vampire werden mit Absicht gemacht – zumindest, was den Erzeuger beziehungsweise hier die Erzeugerin angeht.
In diesem Moment fällt mir wieder ein, was Shane mir an dem Tag über Regina erzählt, als die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit war: ›Weil unterfürsorglich zu sein für sie schon einmal ganz böse danebengegangen ist‹.
Oh-ha. Shane hat keine Blutschwester erwähnt, weil er keine mehr hat.
»Mit der Wurzel auszureißen, was vom Antlitz der Erde getilgt gehört, ist nicht Sache und Ziel der Liga.« Benjamin weicht meinem Blick aus und schaut stattdessen seinen eigenen Fingern zu, wie sie an einem der glatten, schwarzen Gitterstäbe entlangfahren. »Als ob das Leben einer Frau und das Leben, das sie eines Tages hätte in sich tragen können, den gleichen Wert besäßen wie die verzweifelte, erbärmliche Existenz eines wandelnden Leichnams.«
Ich blicke zu Wallace hinüber, der auf diese Beleidigung keinerlei Reaktion zeigt. Momentan wirkt er tatsächlich wie eine Leiche und sonst nichts.
Aber sicher nicht mehr lange.
Absichtlich provoziere ich Benjamin. Wer Gift und Galle spuckt, spuckt manchmal zu viel aus, was dann andere für sich nutzen können. »Ich kann nicht viel Unterschied zwischen der Festung und der Liga erkennen. Beide sperren Vampire offenkundig nach dem Zufallsprinzip ein.«
Die Sehnen an seinem Hals treten deutlich hervor, so angespannt ist er, als er sich zu mir umdreht und mich mit seinem Blick durchbohrt. »Die Liga folgt keinen Prinzipien. Sie tun gerade einmal das absolute Minimum, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Aber lassen Sie sich bloß nicht von denen täuschen! Wenn die Liga wollte, könnte sie sämtliche Vampire auf diesem ganzen Planeten ausrotten.«
»Und warum tut sie es dann nicht?«
»Sie will die Mittel nicht verlieren, die der Staatshaushalt für sie vorsieht. Wie die meisten Behörden existiert die Liga hauptsächlich, um ihre eigene Existenz zu rechtfertigen.« Benjamin lässt seinen Blick an der Decke entlangwandern. »Die Festung steht für Tradition, für althergebrachte Werte. Eigentlich ist die Festung die einzig wahre Liga. Wir nämlich wissen richtig und falsch zu unterscheiden.«
»Und Vampire sind immer falsch?«
»Sie sind eine Abscheulichkeit vor Gott.« Er verkündet das, als ob es das Selbstverständlichste
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