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VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)

VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)

Titel: VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Leben in Wirklichkeit aber nie in Gefahr war.
    Oder, wenn das nicht klappen sollte, könnte man mich ja in einen Käfig stecken, wo mir im Keller eines viktorianischen Hauses ein psychotischer, siebzig Jahre alter Vampir in Technicolor, HD und 3D ausmalt, wie er mich umbringen wird, wie lange es dauern wird und auf welche besonderen, dem Tod vorausgehenden Vorspiele ich mich freuen darf.
    Sobald Wallace seine Geschichte zu Ende gebracht hat – eine Geschichte, die immer dasselbe Ende hat –, beginnt er von vorn zu erzählen. Bei jedem neuen Durchgang fügt er ein neues Abenteuer hinzu. Wenn ich seinen Erzählfluss unterbreche, etwa, wenn ich ihn anflehe, endlich aufzuhören, oder dazwischenbrülle, ich hätte Gideon in Notwehr getötet, reine Selbstverteidigung (und Bossverteidigung und Loververteidigung); und he, mein Blut hätte ihm, Wallace, schließlich im wahrsten Sinne des Wortes die Haut gerettet, beginnt er wieder von vorn und fügt der Geschichte zwei weitere Folgen an anstatt nur eine. Mit der Zeit lerne ich die Lektion und halte brav den Mund. Wallaces makabre Fantasien blende ich aus, indem ich im Stillen Werbejingles trällere.
    Das einzeilige Liedchen des hiesigen Toyota-Händlers nutze ich beispielsweise, um die dereinst in die Realität umzusetzende Szene zu überdecken, in der Wallace mir mit einer Grillgabel die Haut abzieht. Gerade in diesem Moment geht oben an der Treppe die Tür auf. Mir nur allzu willkommen fällt Licht in den Keller, ein schmaler Streifen, ein Stück nur – und ich schwöre, das Stück könnte ich sofort verdrücken.
    Auf ihren kleinen Füßen springt Luann die Treppe hinunter, schaltet die Deckenlampe ein und hastet quer durch den Raum auf meinen Käfig zu. Sie schiebt die Hand, in der sie ein kleines silbernes Gerät hält, durch die Gitterstäbe hindurch. »Ich glaube, ein bisschen Ablenkung täte Ihnen gut.«
    »Danke!« Ich grabsche nach meinem MP3-Player. »Das ist mehr wert, als etwas zu essen!«
    »Ich habe Ihre Schmerzmittel nicht besorgen können. Aber hier sind ein paar Ibuprofen.« Sie gibt mir ein weißes Plastikdöschen und ein Glas Wasser. »Bald bringe ich Ihnen etwas zum Mittagessen.« Plötzlich weicht sie zurück und stiert Wallace an, der ein ganz breites, ganz böses Grinsen zur Schau trägt. Ich hatte gedacht, nur Clowns könnten das. »Übrigens Shanes letzter Song, das war Message in a Bottle .«
    »Der von Police, ja?« Meine Finger schließen sich fest um die Gitterstäbe. »Sind Sie sicher?«
    Sie nickt. Sie zieht sich immer weiter in Richtung Treppe zurück. »Ich kann mich ganz genau daran erinnern. Ich dachte noch, das scheint mehr zu Reginas Zeit und Sendung zu passen.«
    »Ach, da gibt’s immer wieder mal Überschneidungen bei den beiden.« Ich befürchte schon, sie könnte misstrauisch werden, und halte daher den MP3-Player hoch. »Ich hoffe, Sie hatten Freude damit.«
    Sie schenkt mir ein verschwörerisches Lächeln. »Hatte ich, ja.« Als sie geht, lässt sie das Licht an. Was, wie sich herausstellt, Wallace obendrein noch reichlich visuelle Inspiration für die Schilderung meiner Zerstückelung verschafft.
    Ich rolle mich auf der hauchdünnen Matratze zusammen und stecke mir die Ohrstöpsel in die Ohren. Dann drehe ich die Lautstärke von Shanes letztem Podcast hoch. Er erzählt darin von den Riot Grrrls, einer feministischen subkulturellen Bewegung in der Hardcore-Punk-Szene der frühen Neunziger. Von Bands wie Hole oder Bikini Kill und vielen anderen, deren Namen ich nicht kannte, ehe ich Shane kennenlernte. Die Stärke dieser Frauen schenkt mir die tröstliche Illusion, ich könnte das Ganze hier doch überleben, irgendwie.
    Ich kneife fest die Augen zu und stelle mir vor, Shane wäre hier bei mir und raunte mir all diese faszinierenden Geschichten direkt ins Ohr. Seine Arme umfangen meine Taille, und er benutzt seine magischen, megageheimen Supereinhorn-Heilkräfte, um den stechenden Schmerz in meiner rechten Seite zu lindern. (He, was soll’s: Wenn ich mich schon in dem Wunschtraum verliere, hier heil und in einem Stück wieder herauszukommen, kann ich auch gleich Nägel mit Köpfen machen!)
    Aber vielleicht ist es ja nicht nur ein Wunschtraum, dass Shane kommt und mich rettet. Sicher war sein Song um fünf Uhr vierundfünfzig ein Signal für mich, dass mein SOS empfangen wurde und Hilfe unterwegs ist.
    Nach weniger als einer Stunde muss ich begreifen, dass Luann wirklich viel Spaß an meinem MP3-Player hatte, so viel Spaß

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