VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
auf der Welt wäre, so selbstverständlich wie das Blau des Himmels. »Wie können ausgerechnet Sie daran zweifeln, wo Gideon Sie doch beinahe getötet hätte und Ihr Freund Sie alkoholisiert hat, um Sie als Spenderin zu missbrauchen? Wie können Sie unter diesen Bedingungen nur mit ihnen zusammenarbeiten, mit ihnen zusammenleben, mit ihnen schlafen?«
Okay, Ned hat also meine falschen Bekenntnisse vor der Therapie-Gruppe ausgeplaudert. »Ich dachte, was in den Sitzungen der Gebissenen beredet werde, sei vertraulich.«
»Ned hat sich Sorgen um Sie gemacht. Er will Ihnen begreiflich machen, dass Vampire nichts Romantisches an sich haben. Sie sind Monster. Einen Vampir zu töten, bedeutet auszulöschen, was Menschen bedrängt und bedroht. Es ist nichts anderes, als eine Ratte zu töten, die sich in der Speisekammer gütlich tut, oder einen Wolf, der Lämmer schlägt.«
»Wow, wie krank ist das denn!«
»Was Ned noch nicht begriffen hat«, fährt Benjamin daraufhin fort, »ist, dass einige Schafe für immer an die Wölfe verloren sind.«
»Also, ich bin alles andere als ein Schaf.«
»Das ist jetzt genug Blut!«, fährt Benjamin Luann an. »Wir wollen das Biest ja nur gerade so eben am Leben erhalten und es ihm nicht gut gehen lassen!«
Luann zieht die Nadel aus meinem Arm. Sie drückt ein Stück Verbandsmull auf die Wunde. Denn schließlich kann ich das wegen meiner Verletzung nicht selbst tun.
Hochkant schiebt Benjamin eine Hundeschüssel aus Edelstahl zwischen die Gitterstäbe in Wallaces Käfig und stellt sie dann auf dem Boden ab. Keine Sekunde lässt er den Vampir aus den Augen, während er seine Hand durch die Stäbe steckt und den Infusionsbeutel mit Blut auf den Kopf stellt, ihn zusammendrückt und den Inhalt so in die Schüssel entleert.
Ich wende mich ab. Mir wird ganz flau im Magen. Luann legt mir beruhigend die Hand auf die Schulter.
Ich höre, wie Wallace sich bewegt, wie er sich umdreht und prüfend Witterung aufnimmt. Ich höre das Geräusch von Stoff, Wallaces Hosen, die über den rauen Steinboden gezogen werden, als Wallace auf die Schüssel zukriecht. Ich schließe meine Augen, aber ich kann mir nicht die Ohren zuhalten.
Ich höre das Schlürfen, das Lecken und das befriedigte Grunzen. Aber das ist nicht, was ich mit Grauen erwarte. Was jetzt folgt, ist es, jetzt gleich, in ein paar …
»Großer Gott!« Benjamins Schritte, der vom Käfig zurückweicht. »Luann, schau ihn dir an!«
Luann dreht sich um, weg von mir, und schnappt hörbar nach Luft. »Seine Brandwunden! Die Narben, sie waren in seinem Gesicht, überall! Wo sind sie hin?«
»Unglaublich!« Benjamins Stimme klingt geradezu ehrfürchtig. »Nirgends in den Annalen der Festung steht etwas über ein Phänomen wie dieses!«
»Und die Liga? Kennt man es dort?«
»Nein, auch nicht. Ich …« Seine Zähne schlagen aufeinander, als er abrupt den Mund zuklappt.
Beide schweigen. Ich rühre mich nicht, die Augen fest geschlossen, und tue so, als hätte ich Luanns überraschtes »Upps!« gar nicht gehört.
»Raus!«, blafft Benjamin sie an. »Bring das Extrablut herunter. Und sie da bekommt außer Wasser nichts mehr!«
»Ja, Sir, sofort, Sir. Es tut mir leid.«
»Tu einfach, was ich dir sage! Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
Rasch klebt Luann ein Heftpflaster über den Einstich an meinem Arm. Beide verlassen den Käfig und schließen die Tür hinter sich. Auf dem Weg nach draußen knipst einer von ihnen das Licht aus. Ich öffne die Augen, und völlige Dunkelheit umfängt mich.
Drei Meter von mir entfernt beginnt Wallace zu lachen und lacht und lacht und lacht.
Über alles, was ich getan habe, über jede Entscheidung, die ich getroffen habe, um in diese Lage zu geraten, grübele ich nach. Aus einem mir nicht bekannten Grund spule ich meine Erinnerungen bis zu dem Moment zurück, in dem ich zu dem Discounter gefahren bin, um billig einiges an Haushaltswaren einzukaufen. Wenn ich mir erlaubt hätte, Elizabeths Geld zu benutzen, um ihre Küche auszustatten, wäre ich in einem Geschäft des gehobenen Bedarfs gelandet und nicht in diesem Billigschuppen. Ich kann mir kaum vorstellen, in einem Nobelkaufhaus wie beispielsweise Neiman Marcus jemandem wie Ned Amberson über den Weg zu laufen.
Andererseits könnte Ned mir gefolgt sein. Es ist sogar wahrscheinlich, dass es so war. Denn er wollte mich der Festung ins Netz treiben: Ich sollte ja dazu gebracht werden, das Leben eines meiner Freunde gegen das meines Vaters zu tauschen, dessen
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