VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
verstehen.« Sie ringt die Hände und senkt den Blick dabei. »Mehr, als Sie vielleicht ahnen.«
Die Bemerkung macht mich nachdenklich. Ob Luann aus freien Stücken in diesem Haus der Festung ist? Andererseits bin ich mir sicher, dass ich sie verschrecke, wenn ich sie direkt danach frage. Für jemanden, der aussieht wie vierzig oder älter, benimmt sie sich sehr kindlich.
Sie dreht sich um, geht in Richtung Treppe. »Essen Sie Ihr Frühstück! Wir kommen schon bald wieder.«
Sie lässt das Licht an. Die Deckenlampe verbreitet nicht sonderlich viel Helligkeit, wie sich herausstellt, jetzt, wo sich meine Augen an das Licht gewöhnt haben. Die meisten Ecken des Kellers sind immer noch in Dunkelheit oder Zwielicht gehüllt. Ich setze mich auf das Feldbett, den Rücken Wallace zugewandt, und versuche zu essen. Objektiv gesehen ist der Pfannkuchenteig wunderbar locker und schön saftig, der Orangensaft perfekt ausgewogen in Süße und Säure. Aber in meinem Mund verwandelt sich der Teig in Pappe und der Saft in reine Säure.
Trotzdem kaue ich brav, kaue und schlucke und versuche zu verdrängen, dass die Kraft, die ich aus meinem Frühstück ziehe, bald dem Vampir zugutekommen wird, der mich töten will.
»Nadel-Phobie?«, fragt Benjamin, als ich den Kopf wegdrehe, um nicht zu sehen, was Luann mit meinem gesunden Arm anstellt. Der Geruch des Alkoholtupfers sticht mir in die Nase.
Ich liege auf dem Feldbett und blicke geradewegs zu Benjamin hinüber. Er steht in der Tür zu meinem Käfig. Heute Morgen ist er vollständig bekleidet. Er trägt eine schwarze maßgeschneiderte Tuchhose und ein blaues Seidenhemd, das das faszinierende Blau seiner Augen unterstreicht.
Ich verkneife mir ein Wimmern, als Luann den Stauschlauch aus Gummi festzurrt, und konzentriere mich ganz auf Benjamin. »Letzte Woche hatten wir keine Gelegenheit, um uns zu unterhalten, nachdem Ned mir das Video mit meinem Vater gezeigt hat. Sie waren gerade dabei, irgendwelche hinterhältigen Forderungen zu stellen, und haben währenddessen Ihren metaphorischen Schnurrbart gezwirbelt.« Das hört sich, einmal über meine Lippen gekommen, besser an, als gedacht. »Ned hat behauptet, Sie wollten Vergeltung. Was meinen Sie, wie ich Ihnen dabei helfen kann?«
Er verlagert sein Gewicht auf den anderen Fuß und lehnt sich gegen die eine Seite des Türrahmens. Anscheinend möchte er lässig wirken. »Die Lage hat sich geändert, jetzt, wo Sie hier sind, jetzt, wo Sie … eingeweiht sind.«
Meine Nackenhaare stellen sich auf. Was er meint ist: Jetzt, wo Sie diesen Ort nicht mehr lebend verlassen werden .
»Wer ist Sara?«
Erschrocken schnappt Luann nach Luft, während sie gleich unter der Ellbogenbeuge auf meinen Arm klopft, um die Venen besser sichtbar zu machen.
Benjamin reagiert nicht. Das ist beredter als jedes Zusammenzucken. »Jemand, der nicht mehr von Bedeutung ist.«
»Sie war aber noch von Bedeutung, als Sie sich ihr Tattoo auf den Bizeps haben stechen lassen.«
Um seinen Mundwinkel herum zuckt es kaum wahrnehmbar. »Wir alle machen Fehler, Ciara. Manche von uns besitzen die innere Größe, diese Fehler nicht nur zuzugeben, sondern sie täglich von Neuem zu studieren, damit man in den Spiegel blicken und sich selbst sagen kann: ›Niemals wieder‹.«
Klar. Ich kann Benjamin sofort vor mir sehen, wie er morgens, jeden einzelnen Morgen, vor diesem Spiegel steht. Wenn ich gestern Nacht nicht gesehen hätte, dass die Haut auf seinem Rücken unversehrt ist, nicht einen Kratzer hat, hätte ich ihn glatt für jemanden gehalten, der sich täglich selbst geißelt. Es gibt einfach Leute, die sind zum Flagellanten geboren.
»Waren Sie beide verheiratet?«
»Machen Sie eine Faust!«, verlangt Luann von mir. Ihre Stimme zittert. Ich schlucke heftig und gehorche.
Benjamin fixiert mich mit seinen tintenblauen Augen. »Ich sagte doch schon, dass das keine Bedeutung mehr hat.«
»Hat ein Vampir sie umgebracht?« Fast hätte ich hinzugefügt: wie Luanns Mutter . Aber gerade noch rechtzeitig begreife ich, dass der Moment ungünstiger nicht sein könnte, um Luann zu beunruhigen oder gegen mich aufzubringen. Die Hand, die mich am Ellbogen gefasst hält, bebt. Aber Luann holt tief Luft und sticht zu. Es ist ein einziger kurzer Pikser – sie ist wirklich gut.
»Ermordet, meinen Sie? Nun, nicht immer ist der Akt des Tötens Mord«, erwidert er. »Beispielsweise wäre es ein Akt der Gnade, wenn man jemandem das Leben nimmt, um ihn vor einem weitaus schlimmeren
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