VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
voller Kippen unserer Vampire ist. Ein eisiger Windstoß reißt den letzten Ascherest hoch hinauf in den Himmel, über den Wolken ziehen und die Sterne verdecken. Ganz plötzlich riecht die Luft nach Schnee.
»Warum hast du das gemacht?«, will ich von David wissen.
Mit der Fußspitze tritt er leicht gegen einen der Geländerpfosten. »Als man dich als Geisel gefangen gehalten hat, habe ich mir wirklich Sorgen um dich gemacht. Ich wollte selbst den Sturm auf das Gebäude anführen, mit gezückter Waffe, und dich befreien.«
Ganz unauffällig ziehe ich mich ein Stück von ihm zurück. Ich frage mich, wohin dieses Geständnis wohl führen soll.
»Aber dann habe ich begriffen«, fährt er fort, »dass mein Verstand nicht mit dem Gedanken beschäftigt war: ›Und wenn Ciara überlebt, dann sage ich ihr, was ich für sie empfinde. Denn das Leben ist zu kurz, um zu zögern‹.«
»Ähm, was?«
»Ich hatte Angst um dich, weil wir befreundet sind. Mehr steckt nicht dahinter. Das war der Augenblick, in dem mir klar wurde, dass ich, indem ich über dich hinweg bin, auch über Elizabeth hinweg bin.«
Dexter kommt zu uns auf die Veranda; sein Vorhaben, sich den Garten in aller Gemütsruhe zurückzuerschnüffeln, ist, so scheint es, abgeschlossen. Schwer lehnt er sich gegen mein Bein, und ich kraule ihn sofort am Ohr. Ich bin dankbar, dass er mir ermöglicht, mich für einen Moment aus der merkwürdigen Stimmung, die zwischen David und mir herrscht, herauszustehlen.
»Hast du irgendwas von deinem Vater gehört?«, fragt David.
»Nein.« Mehr sage ich nicht. Jedes weitere Wort hätte meine Angst um ihn und meine Wut über ihn verraten.
»Vermisst du deine Familie nicht an Weihnachten?«
»Ich vermisse Jesus.« Ich schüttele den Kopf. »Nicht den Jesus Christus, den Menschensohn und Richter, der die Schafe von den Böcken scheidet, wie es bei Matthäus heißt. Ich vermisse den kleinen Jesus, das Christkind, das alles versteht und alle liebt. Etwa wie der Weihnachtsmann, außer dass beim Christkind jeder auf der Liste der Braven und Lieben steht, jeder, der nur fest genug glaubt.« Ich kraule Dexter unter seinem Halsband, und vor Wonne bearbeitet er das Holz der Veranda mit einer Pfote. »Ich weiß ganz genau, dass mein Wunsch nach einem Weihnachten der Kindheit nur für den Wunsch nach meiner verlorenen Unschuld steht oder irgend so einem Scheiß. Denn das ist, was ich wirklich vermisse – die Fähigkeit, meinen Eltern zu glauben.«
»Nur weil sie gelogen und betrogen haben, um sich den Lebensunterhalt zu sichern, heißt das noch lange nicht, dass sie dir nie die Wahrheit erzählt haben. Du glaubst doch, dass sie dich lieben, oder zweifelst du daran?«
»Sie sind ziemlich gut darin, anderen falsche Gefühle vorzuspielen.«
»Aber ich habe gesehen, wie dein Dad mit dir umgeht. Das war nicht gespielt.«
»Du hast dieses Video nicht gesehen, das sie mir in der Festung vorgespielt haben. Die Angst in Dads Gesicht wirkte so echt: Ich hab sie spüren können, hier in meinem Bauch.« Und tatsächlich: Die Erinnerung reicht, und mein Magen krampft sich schon wieder zusammen. »Aber in Wahrheit ist er kein Gefangener, sondern steckt mit den Leuten unter einer Decke, die mich umgebracht hätten und denen nichts lieber gewesen wäre, als meine Freunde zu töten.«
David zupft die Lichterkette am Geländer zurecht. »Woher weißt du, dass er mit der Festung unter einer Decke steckt?«
»Lanham hat mir erzählt, es gebe entsprechende Beweise gegen seinen Leibwächter, den, der meinen Vater hat entkommen lassen – damit er ein Helfershelfer der Festung wird.«
»Warum glaubst du Colonel Lanham und nicht deinem Vater?«
»Weil …« Es fällt mir schwer, noch einen klaren Gedanken zu fassen, so übel ist mir. Was, wenn ich mich geirrt habe? Was, wenn mein Vater wirklich in Gefahr ist? »Es ergibt eben Sinn. All die kleinen Puzzleteile passen zusammen und ergeben ein Bild.«
»Ja, klar: alles schön stimmig und an seinem Platz. Außerdem entspricht es praktischerweise dem Bild, das du schon von deinem Vater hast. Dann kannst du dir auch ganz wunderbar einreden, dass du ihn an Heiligabend nicht vermisst.«
Ich lache darüber, denn die Alternative wäre gewesen, in Tränen auszubrechen oder zu kotzen, gleich hier. »Ich scheine ja für dich, Lori und Shane geradezu ein offenes Buch zu sein!«
»Ja. Für eine Trickbetrügerin bist du ziemlich einfach zu durchschauen.«
»Das gelingt nur wenigen.« Ich gebe Dexter einen
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