Vampirgeflüster
einen Augenblick lang versuchte ich, mich zu erinnern, ob ich je Dr. Ludwigs Füße gesehen hatte.
»Sookie«, sagte sie, und ihre Augen tauchten auf Höhe meines Ellenbogens auf. »Wirkt die Arznei?«
Ich wusste nicht, ob dies bereits ihr nächster Besuch bei mir war oder ob ich nur eine Weile weggedriftet war. »Meine Schmerzen sind etwas erträglicher«, erwiderte ich mit sehr rauer und heiserer Stimme. »Mein Körper fühlt sich etwas taub an. Das ist einfach... herrlich.«
Sie nickte. »Ja. Wenn man bedenkt, dass Sie ein Mensch sind, haben Sie sehr viel Glück gehabt.«
Seltsam. Ich fühlte mich natürlich besser als in jener Bruchbude, aber für einen Glückspilz hielt ich mich nicht gerade. Ich versuchte, wenigstens etwas Wertschätzung für mein gütiges Schicksal zusammenzukratzen. Doch es gab rein gar nichts zusammenzukratzen. Ich war total leer. Meine Gefühle waren ebenso verkrüppelt wie mein Körper.
»Nein.« Ich versuchte den Kopf zu schütteln, doch nicht mal die Schmerzmittel konnten die schweren Verletzungen in meiner Kehle lindern. Die beiden Elfen hatten mich wieder und wieder gewürgt.
»Sie sind nicht tot«, bemerkte Dr. Ludwig.
Aber ich war nahe dran gewesen; irgendwie hatte ich die Grenze schon überschritten gehabt. Es hatte einen letzten Zeitpunkt zur Rettung gegeben, und wäre ich vorher befreit worden, hätte ich auf dem ganzen Weg zum Supra-Krankenhaus, oder wo immer ich hier war, gelacht. Doch ich hatte dem Tod aus der Nähe ins Angesicht gesehen - aus solcher Nähe, dass ich jede Pore einzeln im Angesicht des Todes hatte erkennen können -, und ich hatte zu viel erlitten. Diesmal würde ich nicht so rasch wieder auf die Beine kommen.
Ich war emotional und körperlich total am Ende, seit ich zerschnitten, zerstochen und zerbissen wurde bis aufs rohe Fleisch. Und ich wusste nicht, ob diese Wunden sich jemals wieder schließen würden zu der relativen Unversehrtheit, wie ich sie vor diesem Kidnapping besessen hatte. Etwas in diesem Sinne sagte ich, wenn auch in einfacheren Worten, zu Dr. Ludwig.
»Die beiden sind tot, wenn Ihnen das hilft«, erwiderte sie.
Ja, das half tatsächlich ein wenig. Ich hatte gehofft, dass ich mir das nicht nur eingebildet hatte. Nun musste ich wenigstens nicht mehr fürchten, dass ihr Tod nur ein Wunschtraum war, aus dem ich wieder erwachen würde.
»Ihr Urgroßvater hat Lochlan geköpft«, sagte Dr. Ludwig. Das war also Elf Eins gewesen. »Und der Vampir Bill Compton hat Lochlans Schwester Neave die Kehle herausgerissen.« Und hier hatten wir Elfe Zwei.
»Wo ist Niall?«, fragte ich.
»Er führt Krieg«, sagte Dr. Ludwig düster. »Die Zeit der Verhandlung ist beendet, kein Schachern mehr um Vorteile. Jetzt gibt es nur noch Mord und Totschlag.«
»Und Bill?«
»Er ist schwer verletzt«, sagte die kleinwüchsige Ärztin. »Neave hat noch mit ihrem Dolch auf ihn eingestochen, ehe sie verblutet ist. Und sie hat zurückgebissen. Die Schneide ihres Dolchs war aus Silber, genauso wie die blitzenden Kappen auf ihren Zähnen. Er hat es im Körper.«
»Er ist Vampir, er erholt sich wieder«, sagte ich.
Dr. Ludwig zuckte die Achseln.
Ich dachte, mir plumpst das Herz auf den Boden, direkt durchs Bett hindurch. Diesem Unglück wagte ich gar nicht ins Auge zu blicken.
Krampfhaft bemühte ich mich, an jemand anderen als Bill zu denken. »Und Tray? Ist er auch hier?«
Einen Augenblick lang sah sie mich schweigend an. »Ja«, sagte sie schließlich.
»Ich muss ihn sehen. Und Bill auch.«
»Nein, Sookie, Sie dürfen sich nicht bewegen. Bill liegt zurzeit in einem Tagesruheort. Eric kommt heute Abend, es sind nur noch wenige Stunden bis dahin, und bringt einen weiteren Vampir mit. Das wird eine große Hilfe sein. Der Werwolf ist zu stark verletzt, als dass Sie ihn stören dürften.«
Ich konnte das alles kaum verkraften. Meine Gedanken rasten, auch wenn es noch ein enorm langsames Rasen war. Doch ich konnte wieder etwas klarer denken. »Wissen Sie, ob Sam informiert wurde?« Wie lang war ich bewusstlos gewesen? Wie lang fehlte ich schon bei der Arbeit?
Wieder zuckte Dr. Ludwig die Achseln. »Ich weiß es nicht. Vermutlich. Er scheint immer alles zu erfahren.«
»Gut.« Ich versuchte, mich anders hinzulegen, und hielt keuchend inne. »Irgendwann muss ich aber mal aufstehen und zur Toilette«, warnte ich sie vor.
»Claudine«, sagte Dr. Ludwig, und meine Cousine legte ihr Strickzeug zur Seite und stand aus dem Schaukelstuhl auf. Jetzt erst sah ich, dass
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