Vampirgeflüster
toll du aussiehst, aber...« Es fiel mir schwer, es in Worte zu fassen. »Aber dass du eben viel zu gut für sie aussiehst, so gut, dass sie nie eine Chance bei dir hätte. Sie ist sehr ... sie hält nicht allzu viel von sich selbst.«
Und dann überfiel mich eine meiner Fantasien. Eric geht zu ihr hinüber, verbeugt sich, küsst sie ehrerbietig auf die Wange und ignoriert ihre hübscheren Freundinnen. Nach dieser Geste fragen sich alle Männer im Fangtasia, was der Vampir nur in dem jungen Mädchen sehen mag. Und plötzlieh kann sich das unattraktive Mädchen vor den Aufmerksamkeiten all der Männer, die den Kuss gesehen haben, kaum noch retten. Ihre Freundinnen respektieren sie, da Eric sie respektiert hat. Ihr Leben hat sich verändert.
Aber es geschah natürlich nichts dergleichen. Eric hatte das junge Mädchen schon vergessen, ehe ich meine Worte beendete. Und vermutlich wäre es nicht mal dann wie in meiner Fantasie gelaufen, wenn er zu ihr hinübergegangen wäre. Enttäuschung überfiel mich. Märchen wurden eben nie wahr. Ob mein dem Elfenvolk angehörender Urgroßvater wohl eine jener Geschichten über Elfen, Hexen oder Zauberer kannte, die wir Märchen nennen, fragte ich mich. Erzählten Elfeneltern ihren Elfenkindern eigentlich Geschichten von Menschen? Bestimmt nicht, da wäre ich jede Wette eingegangen.
Einen Augenblick lang fühlte ich mich wie abgetrennt von allem, als träte ich von meinem eigenen Leben zurück und betrachtete es wie aus weiter Ferne. Die Vampire schuldeten mir noch Geld und Gegenleistungen für meine Dienste. Die Werwölfe hatten meinen Status als Freundin des Rudels erneuert für die Hilfe, die ich ihnen im eben beendeten Krieg geleistet hatte. Eric und ich hatten einander die Treue gelobt, was zu heißen schien, dass ich verlobt oder sogar verheiratet war. Mein Bruder war ein Werpanther und mein Urgroßvater ein Elf. Es dauerte einen Moment, bis ich wieder bei mir selbst ankam. Mein Leben war einfach zu verrückt. Ich fühlte mich, als hätte ich nichts mehr unter Kontrolle, als drehte ich mich schon viel zu schnell, um noch anhalten zu können.
»Sprich nicht allein mit den FBI-Leuten«, sagte Eric. »Ruf mich an, falls sie abends kommen, und Bobby Burnham, falls sie tagsüber auftauchen.«
»Aber er hasst mich!«, sagte ich, jetzt wieder ganz in der Realität angekommen, und das nicht allzu sanft. »Warum sollte ich ihn anrufen?«
»Was?«
»Bobby hasst mich«, wiederholte ich. »Er wäre glücklich, wenn die Bundesbehörden mich für den Rest meines Lebens in irgendeinem unterirdischen Bunker in Nevada festhalten würden.«
Erics Miene war erstarrt. »Das hat er gesagt?«
»Das muss er gar nicht. Ich weiß genau, ob jemand denkt, ich wäre eine Schleimscheißerin.«
»Ich werde mit Bobby reden müssen.«
»Eric, es verstößt gegen kein Gesetz, mich nicht zu mögen«, warf ich ein, weil ich nur zu gut wusste, welch gefährliche Folgen die Beschwerde bei einem Vampir haben konnte.
Er lachte. »Vielleicht sollte ich ein solches Gesetz erlassen«, erwiderte er frotzelnd, und sein Akzent war deutlicher als sonst zu vernehmen. »Wenn du Bobby nicht erreichen kannst - obwohl ich absolut sicher bin, dass er dir helfen wird -, solltest du Mr Cataliades anrufen, auch wenn er unten in New Orleans ist.«
»Geht's ihm gut?« Seit dem Einsturz des Vampirhotels in Rhodes hatte ich nichts mehr von dem Halbdämon und Rechtsanwalt gehört.
Eric nickte. »Es ging ihm nie besser. Er vertritt jetzt Felipe de Castros Interessen in Louisiana. Er würde dir helfen, wenn du ihn darum bittest. Er hat dich ziemlich gern.«
Diese letzte Information verstaute ich gut, darüber musste ich erst noch mal nachdenken. »Hat seine Nichte auch überlebt?«, fragte ich. »Diantha?«
»Ja«, sagte Eric. »Sie war zwölf Stunden verschüttet, doch die Rettungsleute wussten, wo sie liegt. Es hatten sich so viele verkeilte Balken über ihr aufgetürmt, dass es einige Zeit dauerte, die wegzuräumen. Aber schließlich sind sie zu ihr durchgedrungen.«
Ich war froh zu hören, dass Diantha noch am Leben war. »Und der Anwalt John Glassport?«, fragte ich. »Mr Cataliades sagte, er sei mit ein paar blauen Flecken davongekommen.«
»Glassport ist völlig wiederhergestellt. Er hat sein Honorar abgeholt und ist irgendwo in den Weiten Mexikos verschwunden.«
»Mexikos Gewinn ist Mexikos Verderben.« Ich zuckte die Achseln. »Aber es braucht vermutlich einen Anwalt, um an sein Geld zu kommen, wenn der
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