Vampirgeflüster
klopfte ihr grell leuchtendes Outfit ab. »Muss-los.« Zum Abschied strich sie mir einmal sachte über den Kopf. Dann drehte sie sich herum, und weg war sie. Diantha rannte schneller als jedes Rotwild.
Ich legte mich wieder hin. Über all das musste ich erst mal nachdenken. Jetzt hatte mich nicht nur Niall, sondern auch noch Mr Cataliades gewarnt. So langsam bekam ich es wirklich und wahrhaftig mit der Angst zu tun.
Die Warnungen kamen zwar frühzeitig, enthielten jedoch überhaupt keinen Hinweis darauf, wie ich mich gegen eine solche Gefahr schützen sollte. Sie könnte zu jeder Zeit und an jedem Ort auftreten, soweit ich verstanden hatte. Okay, die feindlichen Elfen würden sicher nicht ins Merlotte's stürmen, um mich dort herauszuzerren. Dazu machten sie ein zu großes Geheimnis um sich. Aber ansonsten hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie sie mich angreifen könnten oder wie ich mich wehren sollte. Hielten verschlossene Haustüren auch Elfen draußen? Musste man ihnen, wie den Vampiren, erst erlauben, das Haus zu betreten? Ach, nein. Niall hatte ich ja auch nicht extra hereinbitten müssen, als er mich zu Hause besuchen kam.
Was wusste ich denn eigentlich? Ich wusste, dass Elfen, anders als Vampire, nicht auf die Nacht beschränkt waren; dass sie sehr stark, ja genauso stark wie Vampire waren; und dass die Elfen, die echten Elfen (im Gegensatz zu Elfenvölkern wie den Heinzelmännchen, Kobolden oder Feen), wunderschön und derart rücksichtslos waren, dass sogar die Vampire Respekt vor ihrer Grausamkeit hatten. Die ältesten Elfen lebten, anders als Claude und Claudine, nicht immer in dieser Welt. Sie konnten noch woandershin gehen, in eine schrumpfende und verborgene Welt, die sie der unseren bei Weitem vorzogen: eine Welt ohne Eisen. Denn wenn sie nicht allzu häufig mit Eisen in Berührung kamen, konnten Elfen so lange leben, dass sie nicht mal mehr die Jahre zählten. So irrte sich Niall zum Beispiel in Gesprächen immer wieder mal um ein paar Jahrhunderte und warf vieles durcheinander. Es konnte ihm passieren, dass er ein Ereignis fünfhundert Jahre zurückdatierte, obwohl ein anderes, älteres Ereignis nachweislich erst vor zweihundert Jahren stattgefunden hatte. Es gelang Niall einfach nicht, mit dem Lauf der Zeit Schritt zu halten, wohl auch deshalb, weil er den Großteil der Zeit nicht in unserer Welt verbrachte.
Ich zerbrach mir den Kopf. Wusste ich sonst nichts weiter über Elfen? Doch, eines noch. Herrje, wie hatte ich das nur vergessen können, und sei es auch bloß vorübergehend. Eisen war schon schlimm für Elfen, doch eines war noch schlimmer: Zitronensaft. Die Schwester von Claude und Claudine war mit Zitronensaft getötet worden.
Genau, Claude und Claudine - das war überhaupt die Idee! Ein Gespräch mit den beiden könnte mir sicher helfen. Und sie waren ja auch nicht nur Cousin und Cousine von mir, Claudine war sogar mein Schutzengel und sollte auf mich aufpassen. Aber um diese Uhrzeit war sie bestimmt in der Arbeit. Claudine kümmerte sich in einem großen Kaufhaus um Reklamationen, Geschenkverpackungen und die Anzahlungen für zurückgelegte Ware. Claude war vermutlich in dem Strip-Club, den er managte und mittlerweile auch besaß, und würde sicher leichter zu erreichen sein. Also ging ich ins Haus und suchte die Nummer heraus. Claude ging sogar selbst ans Telefon.
»Ja«, sagte er, und es gelang ihm, sogar in diesem einen Wort Desinteresse, Missachtung und Langeweile zu vereinen.
»Hi, mein Lieber!«, erwiderte ich extra fröhlich. »Ich muss dich mal unter vier Augen sprechen. Kann ich bei dir vorbeikommen, oder hast du zu tun?«
»Nein, komm nicht her!« Claude klang beinah erschrocken über meinen Vorschlag. »Ich komme in die Mall.«
Die Zwillinge wohnten in Monroe, das sich eines sehr schönen Einkaufszentrums rühmen konnte.
»Okay«, erwiderte ich. »Wo und wann?«
Eine Weile herrschte Schweigen. »Claudine kann einen verspäteten Lunch einlegen. Wir treffen uns in anderthalb Stunden im Restaurantbereich der Mall, bei Chick-fil-A.«
»Dann bis nachher«, sagte ich, und Claude legte auf. Mr Charme persönlich. Ich schlüpfte in meine Lieblingsjeans und ein grün-weißes T-Shirt und bürstete mir kräftig das Haar. Es war so lang geworden, dass ich kaum noch damit fertig wurde, aber zum Abschneiden konnte ich mich auch nicht durchringen.
Seitdem ich mehrmals Erics Blut gehabt hatte, bekam ich nicht mal mehr Erkältungen, und Spliss in den Haarspitzen gehörte auch
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