Vampirgeflüster
besser erst mal ab, worüber genau ich mich empören wollte.
»Wir wollen damit nur sagen, dass Niall dich aus diesem Grund ganz instinktiv deinem Bruder vorgezogen hat«, sagte Claude. »Niall hat Fintan geliebt, Dermot aber hat sich Niall bei jeder Gelegenheit widersetzt. Er hat offen gegen unseren Großvater rebelliert und schließlich Breandan Treue geschworen, obwohl Breandan ihn verachtet. Denn Dermot sieht Jason aufgrund irgendeiner Laune der Natur nicht nur enorm ähnlich, Dermot ist auch genauso ein Arschloch wie Jason. Jetzt weißt du, warum Niall deinen Bruder als Urenkel ablehnt.«
Einen Augenblick lang tat Jason mir leid. Doch dann erwachte mein gesunder Menschenverstand wieder. »Und hat Niall noch andere Feinde außer Breandan und Dermot?«
»Sie haben beide eigene Gefolgsleute und Verbündete, und darunter auch einige Attentäter.«
»Aber eure Eltern stehen auf Nialls Seite?«
»Ja. Und andere natürlich auch. Alle Elfen des Himmels.«
»Also muss ich nach anrückenden Elfen Ausschau halten, die mich jederzeit angreifen könnten, nur weil ich mit Niall blutsverwandt bin.«
»Ja. Die Elfenwelt ist sehr gefährlich. Vor allem jetzt. Das ist auch einer der Gründe, warum wir in der Welt der Menschen leben.« Claude warf seiner Schwester, die wie eine Verhungernde ihre Hühnchen-Nuggets verschlang, einen Blick zu.
Claudine schluckte und tupfte sich den Mund mit einer Papierserviette. »Und jetzt das Wichtigste«, sagte sie, steckte sich noch ein Nugget in den Mund und sah wieder Claude an, damit er übernahm.
»Wenn du jemanden siehst, der wie dein Bruder aussieht, es aber nicht ist...«, begann Claude.
Claudine schluckte. »... dann renn um dein Leben.«
Kapitel 9
Verwirrter denn je fuhr ich nach Hause. Ich liebte meinen Urgroßvater, so sehr es nach unserer kurzen Bekanntschaft nur möglich war ... und ich hätte ihn sogar gern noch viel stärker geliebt und bedingungslos unterstützt, schließlich war er ein Verwandter... doch ich wusste immer noch nicht, wie ich mich vor diesem Krieg schützen oder ihm ausweichen sollte. Die Elfenvölker wollten sich den Menschen nicht zu erkennen geben, und dabei würde es auch bleiben. Sie waren nicht wie die Wergeschöpfe und die Vampire, die an unserer Welt teilhaben wollten. Die Elfen hatten sehr viel weniger Grund, sich auf die Regeln und Verhaltensweisen der Menschen einzulassen. Sie konnten tun, was immer sie wollten, und einfach wieder an ihren geheimen Ort entschwinden.
Ungefähr zum millionsten Mal wünschte ich mir, ich hätte einen normalen Urgroßvater statt dieser außergewöhnlichen und prachtvollen, aber unwirklichen Elfenprinz-Version.
Gleich danach schämte ich mich schon wieder für diesen Gedanken. Ich sollte froh sein über das, was mir zuteil geworden war, und konnte nur hoffen, dass Gott meine kleine Undankbarkeit nicht mitbekommen hatte.
Heute war schon ziemlich was los gewesen, und dabei war es erst zwei Uhr. Dieser Tag entwickelte sich ganz und gar nicht wie mein normaler freier Tag. Gewöhnlich kümmerte ich mich um die Wäsche, machte den Hausputz, ging einkaufen, las, bezahlte Rechnungen ... Doch heute war das Wetter so schön, dass ich draußen bleiben würde. Am liebsten wollte ich irgendetwas tun, bei dem ich gleichzeitig nachdenken konnte. Denn es gab eine Menge, worüber ich nachzudenken hatte.
Also sah ich mir die Blumenbeete rund ums Haus an und beschloss, Unkraut zu jäten. Wenn ich eine Pflicht lästig fand, dann diese, vielleicht deshalb, weil ich als Kind oft dazu verdonnert worden war. Meine Großmutter war überzeugt gewesen, dass man Kinder frühzeitig zur Arbeit anhalten sollte. Und nur ihr zu Ehren versuchte ich auch heute noch, die Blumenbeete zu pflegen. Ich seufzte und sagte mir, dass ich nur irgendwo anfangen müsste, um fertig zu werden, und entschied mich dann für das Beet an der Auffahrt auf der Südseite des Hauses.
Ich ging hinüber zu unserem Metallgeräteschuppen, dem letzten in einer langen Reihe von Schuppen, die der seit einigen Generationen hier wohnenden Familie Stackhouse gedient hatten. Mit dem wohlvertrauten Gemisch aus Freude und Grausen öffnete ich die Tür, denn eines Tages würde ich hier mal ernsthaft ausmisten müssen. Ich besaß immer noch den alten Handspaten meiner Großmutter; und sie hatte mir nie erzählt, wer ihn vor ihr schon alles benutzt hatte. Das Ding war uralt, aber so gut gepflegt, dass es besser war als jeder moderne Ersatz. Der Schuppen war
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