Vampirjagd: Roman (German Edition)
einer von ihnen gerade.
Nein, so war es nicht!, wollte Vanessa rufen. Doch wenn sie so nackt, wie sie war, zu den Männern ging, um diesen zu sagen, was geschehen war, würden diese annehmen, sie hätte das alles im Drogenrausch geträumt. Und falls ihr wider Erwarten doch jemand Glauben schenken würde, würde Ferdinand Rubanter senior alles tun, um seinen Sohn zu schützen und sie als angeblich Verrückte in ein Sanatorium einweisen zu lassen.
»Sollen wir den Brand melden?«, fragte der zweite Bauer gerade.
»Warum sollten wir? Das Gerümpel hier hat eh keinen mehr interessiert – außer dem Gesindel aus Wien, das dort gefeiert hat. Das sind wir Gott sei Dank jetzt los.«
»Es ist ja auch nichts weiter passiert«, meinte der andere achselzuckend, wandte sich um und ging. Sein Begleiter folgte ihm, und kurz darauf hörte Vanessa das Tuckern eines Traktors, das sich langsam in der Ferne verlor.
Nun wagte sie sich aus ihrer Deckung heraus und sah sich die Überreste der Hütte näher an. Der Gedanke, dass ihre Schwester hier umgekommen war, war unerträglich, und sie machte sich die größten Vorwürfe. Warum hatte sie Stephanie nur zu sich geholt? Wäre sie im Heim geblieben, würde sie noch leben.
Voller Hass hob sie den Kopf und drohte mit der geballten Faust nach Süden. »Dafür werdet ihr Kerle bezahlen, das schwöre ich euch!«
Gleichzeitig aber fragte sie sich, was sie allein gegen die mächtige Rubanter-Sippe ausrichten konnte. Wenn sie zur Polizei ging und aussagte, Rubanter junior und dessen Kumpane hätten ihren Mann und ihre Schwester ermordet, während sie ohne einen sichtbaren Schaden aus dem brennenden Haus entkommen war, würde man eher sie einsperren als die Täter. Bei diesem Gedanken erinnerte sie sich an den Stich in die Brust, den sie in der Nacht erhalten hatte. Als sie die Stelle untersuchte, fand sie ebenfalls nur glatte, fast durchscheinend wirkende Haut.
Diese Wunderheilung vermochte sie niemandem erklären, am wenigsten sich selbst. Fragen über Fragen häuften sich vor ihr auf, ohne dass sie eine einzige zu beantworten wusste. Um sich von ihren Gewissensbissen und dem in ihr aufsteigenden Wahnsinn abzulenken, ging sie zur Hütte zurück. Auf dem Weg dorthin trat sie sich einen Nagel in die Fußsohle und stöhnte vor Schmerz. Mit zusammengebissenen Zähnen hob sie den Fuß und zog den Nagel heraus. Dabei nahm sie mit Grausen wahr, dass die kleine Wunde sich sofort wieder schloss. Nur ein einzelner roter Tropfen war noch zu sehen.
Vanessa starrte darauf und spürte einen Hunger in sich, der sie fast verzehrte. Das Schreckliche daran war jedoch das Gefühl, dass dieser Hunger nur durch eine einzige Flüssigkeit auf der Welt gestillt werden konnte, und das war menschliches Blut.
In dem Augenblick glaubte Vanessa endgültig, verrückt geworden zu sein.
5
Obwohl Daniela selbst vor Schmerz und Trauer fast verging, war es ihr gelungen, die noch sensiblere Dilia zu beruhigen. Das im Traum Erlebte lastete aber noch Stunden wie ein Alb auf ihr und ihrer Freundin. Erst nach Anbruch des Tages schwanden die entsetzlichen Bilder allmählich und mit ihnen auch das Gefühl zu verbrennen.
Daniela schüttelte die Schrecken der Nacht schließlich ab und sah Cynthia bittend an. »Ich glaube, jetzt könnte ich etwas zu trinken vertragen!«
»Etwas Spezielles oder was anderes?«
»Kaffee reicht mir. Urban hat mir heute Nacht schon eine Ration gegeben. Aber du solltest Dilia einen halben Liter einflößen. Sie ist noch immer sehr schwach.«
»Schwach ist gar kein Ausdruck«, antwortete Dilia leise. »Ich habe das Gefühl, als wäre jeder Knochen in meinem Leib zerschlagen worden. Zwar weiß ich nicht, was geschehen ist, aber es muss entsetzlich gewesen sein.«
»Das war es«, sagte Daniela und stützte ihre Freundin, bis Cynthia mit einer einen halben Liter fassenden Aluflasche zurückkam und ihr diese reichte. Während sie Dilia das Blut einflößte, spürte sie selbst eine kaum zu beherrschende Gier danach und musste sich zusammenreißen, um es ihrer Freundin nicht abzunehmen und selbst zu trinken.
Unterdessen kochte Cynthia Kaffee und deckte in der kleinen Küche den Tisch für vier Personen. Urban half ihr und sah dabei so besorgt aus, als stünde bereits ein Nachfahre von van Helsing vor der Tür.
»Ich habe eben mit den anderen Clubmitgliedern telefoniert«, sagte er, als Daniela mit der noch immer zitternden Dilia hereinkam. »Alle haben in dieser Nacht schlecht geschlafen, und drei
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