Vampirjagd: Roman (German Edition)
seiner Pistole herum und brüllte rumänische oder ukrainische Wortfetzen.
Am liebsten hätte Erwin dem Burschen gesagt, er solle das Maul halten, aber das Geld ging vor. »Egy kicsit gyorsabban«, fuhr er seine Geisel in schlechtem Ungarisch an und sagte es dann mit gekünsteltem Akzent noch einmal auf Deutsch. »Machen schnällär!«
Die Frau warf ihren Kollegen einen kurzen Blick zu, doch keiner von ihnen war in der Lage, Alarm auszulösen. Daher fügte sie sich in ihr Schicksal und tippte den Code für den kleinen Tresor ein.
Da sah Erwin, wie die Angestellte, die die Tür geöffnet hatte, auf allen vieren auf die Eingangstür zukroch. Diese Idioten!, schimpfte er stumm. Die beiden hätten das Weibsstück in den Kassenraum scheuchen müssen.
»Halte sie auf!«, rief er Florian zu, der die Frau am schnellsten erreichen konnte, und vergaß dabei ganz, einen künstlichen Akzent zu benutzen.
Florian fuhr herum, entdeckte die flüchtende Frau und hob die Pistole.
»Nicht schießen!«, wollte Erwin noch schreien, da bellte die Waffe zweimal auf. Die Frau sank an die Tür gelehnt zu Boden und hinterließ auf der Glasscheibe einen Blutstreifen.
»Die ist hin!« Florian kicherte wie irr und richtete die Waffe auf die nächste Bankangestellte. Bevor er auch diese erschießen konnte, war Ferdinand bei ihm und versetzte ihm einen Schlag.
»Bist du verrückt geworden?«, fauchte Florian seinen Freund an.
»Ich nicht, aber du! Lass den Scheiß und hilf mir, die Leute unter Kontrolle zu halten.« Nach diesen Worten bedrohte Ferdinand wieder die übrigen Bankangestellten, während Erwin der Kassiererin eine Tüte zuschob und sie aufforderte, das Geld dort hineinzufüllen. Ihm brannte die Zeit unter den Nägeln, und er riss ihr die Tüte in dem Augenblick aus den Händen, in dem sie mehrere Bündel mit Geldscheinen hineingesteckt hatte.
»Auf den Boden legen und nicht rühren!«, befahl er und gab den beiden anderen den Wink zu verschwinden. Er selbst wartete, bis Ferdinand und Florian die Bankfiliale verlassen hatten, dann erst folgte er ihnen. An der Tür sah er kurz auf die tote Frau hinab. Obwohl er mehrere Tage vorher den Mord an Berni, dessen Frau und deren Schwester ohne jeden Skrupel zugelassen hatte, ärgerte er sich nun höllisch. Von diesem Moment an würde die Polizei alles daransetzen, die Täter zu erwischen. Das hieß fürs Erste, auf lohnende Ausflüge dieser Art zu verzichten. Dafür würde er Ferdinand und diesen Narren Florian bluten lassen, schwor er sich und steckte die Pistole ein.
Wenige Sekunden später erreichte er den Fluchtwagen, stieg ein und gab Toni den Befehl loszufahren.
5
An diesem Morgen war Blut geflossen, und daran waren die Mörder ihrer Schwester schuld! Vanessa spürte es so deutlich, als hätte sie die Kerle mit eigenen Augen dabei beobachtet. Was waren das nur für Menschen, denen ein Leben nichts galt? Ein Teil ihrer Wut richtete sich nun gegen sich selbst. Wenn sie rasch gehandelt und die Täter bestraft hätte, wäre niemand mehr ermordet worden.
Entschlossen, diesem Grauen ein Ende zu setzen, beendete sie ihr Frühstück und sah Martin an. »Es kann sein, dass ich einige Zeit weg muss und vielleicht nie wiederkomme!«
»Bitte nicht!«, flüsterte er erschrocken. »Du bist alles, was ich mir vom Leben wünsche.«
»Es muss sein!« Obwohl ihre Gedanken sich mit dem beschäftigten, was vor ihr lag, war Vanessa von seiner Anhänglichkeit gerührt. Martin war ein Mensch, wie sie sich Berni gewünscht hätte. Es war bedauerlich, dass sie sich nur mit ein paar dürren Worten bei ihm bedanken konnte.
Sie lächelte, obwohl es ihr schwerfiel, und fasste nach seiner Hand. »Ich werde alles tun, um zu dir zurückzukommen!«
Doch gerade das durfte sie nicht. Vanessa spürte, wie ihr Hunger nach Blut erwachte, und in dem Zustand durfte sie nicht bei Martin bleiben. Die Versuchung, ihn zu beißen und sein Blut zu trinken, würde sonst zu groß. Andererseits konnte sie sich nicht mitten am Tag auf die Suche nach den Verbrechern machen. Das musste in der Nacht geschehen. Zumindest aber konnte sie die Kerle überwachen. Daher richtete sie eine Kleinigkeit zu Mittag her, sodass Martin das Essen nur aus dem Kühlschrank nehmen und in die Mikrowelle stecken brauchte. Als sie sich umziehen wollte, sah sie seinen traurigen Blick und erinnerte sich daran, dass sie ihm bis jetzt die Entschädigung für das ihm entnommene Blut wie auch die Belohnung für seine Unterstützung schuldig geblieben
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