Vampirnacht
allem diejenigen, die für diverse Regierungen arbeiteten. Sie tanzten nach ihrer eigenen Pfeife, stellten ihre eigenen Regeln auf und bewegten sich so gut wie immer außerhalb des Gesetzes. Als ich ihm in die Augen sah, war mir sofort klar, wie sehr Quall seine Tätigkeit genoss. Er liebte die Jagd, und ich hätte zehn zu eins gewettet, dass er auch das Töten genoss. Er fing meinen Blick auf und erwiderte ihn. Hinter seinem knappen Nicken steckte ein unverschämtes, höhnisches Grinsen.
Der dritte Mann im Team war mittelgroß und so gründlich in Umhang und Kapuze gehüllt, dass ich nicht einmal sagen konnte, welchem Volk er angehörte. Nur seine Augen glommen unter dem feuerroten Gewand hervor.
»Das ist Taath. Er ist einer unserer Hexer.«
»
Eurer
Hexer? Aber …« Camille blickte verwirrt drein.
»Ja, meine Liebe. Wir haben unsere eigenen Hexer. Nach den Flammenkriegen haben wir uns geschworen, dass Elqaneve nie wieder unvorbereitet getroffen werden soll.« Die Königin beugte sich vor. »Manchmal kann man Feuer nur mit Feuer bekämpfen. Manchmal kann man Hass nur mit Gewalt begegnen. Viele Leute halten die Elfen für ein passives Volk. Das sind wir nicht. Wir überlegen, ehe wir handeln, aber wenn wir handeln, dann nicht zaghaft.«
»Das wird mir allmählich klar«, sagte Camille.
»Vielleicht ist es an der Zeit, dir zu sagen, dass auch deine geliebte Mondmutter ihre eigenen Hexer ausbildet. Allerdings bezeichnet sie sie nicht so. Sie wirken dunkle Mondmagie … Todesmagie. Warum, glaubst du, lernst du Morios Magie so leicht?«
Camille schnappte nach Luft und starrte sie stumm an. Ich sah es hinter ihrer Stirn arbeiten. Keine von uns sagte ein Wort. Das war eine Enthüllung, mit der wir uns später befassen würden.
Nun wandte Asteria sich mir zu. »Dich habe ich hergebeten, weil wir bald alle deine Gaben brauchen werden. Euer Vater hat darum ersucht, euch alle in die Anderwelt zu holen.« Sie hob die Hand, um jeglichen Ausbrüchen vorzubeugen. Delilah und Camille sahen aus, als hätten sie sehr gern etwas gesagt, doch sie hielten den Mund. Ich konnte ziemlich kleinlich und fies sein, wenn ich wollte, also weigerte ich mich zu fragen, was er wollte.
Königin Asteria sah zu mir herüber. »Er wollte euch
alle drei
hier haben. Fragt uns nicht, warum. Wenn ihr hier fertig seid, reist ihr weiter nach Y’Elestrial, wo ihr euren Vater treffen werdet.«
»Aber …«, stammelte Camille, doch die Königin fuhr ihr über den Mund.
»Camille, ich dulde keinen Widerspruch. Wir stellen unsere Kräfte auf. Der Krieg ist in die Anderwelt gekommen, auf den Schwingen dämonischer Mächte. Derselbe Krieg, den ihr in der Erdwelt führt. Es kann keine Grenzen mehr geben. Keine Zwistigkeiten untereinander.«
Schweigen breitete sich im Saal aus. Nun standen wir Schattenschwinge an zwei Fronten gegenüber. Ich hatte schon darauf gewartet, und nun, da es so weit war, wurde mir eines bewusst: Ich hatte nie damit gerechnet, dass wir die Sache leicht über die Bühne bringen würden.
Seit Schattenschwinge sich das erste Geistsiegel geholt hatte, war ich im tiefsten Inneren davon überzeugt gewesen, dass wir aus der Sache nicht unversehrt und nicht ohne einen langen, blutigen Kampf wieder herauskommen würden. Bisher hatte es einigen Kollateralschaden gegeben, aber das hier … das war ein echter Angriff. Der Krieg hatte erst begonnen.
Asteria und Tanaquar mochte es gelingen, die Hexer aufzuhalten. Doch alle, die sich den Sonnenbrüdern, den Goblins und Ogern und anderen Aufrührern anschlossen, würden blutige Spuren im Land hinterlassen. Die Anderwelt hatte jahrhundertelang im Wesentlichen in Frieden gelebt, bis auf kleine Scharmützel hier und da. Doch dieser Frieden war eine zerbrechliche Fassade gewesen. Und jetzt bröckelte sie heftig. Bald würde wieder Schlachtenlärm übers Land hallen.
Ich stand auf, und die Elfenbeinperlen in meinem Haar klapperten in der Stille. »Sagt uns, was wir tun müssen, und wir werden es tun.« Und damit waren wir aus dem Regen schnurstracks in die Traufe gehüpft, und im Süden braute sich ein echtes Unwetter zusammen.
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Kapitel 2
M eine Schwestern und ich hatten uns ursprünglich für eine Laufbahn beim Anderwelt-Nachrichtendienst entschieden, weil wir als Töchter eines Gardisten aufgewachsen waren. Hof und Krone zu dienen war in unser aller Leben so selbstverständlich wie Atmen. Erst nachdem unser Vater sich so abscheulich verhalten und Camille verstoßen hatte, hatten
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