Vampirwelt
dies, aber jetzt sind wir am Drücker. Ich glaube nicht, daß die andere Seite aufgeben wird.«
Hayer senkte den Kopf. Er bewegte seine Hände nervös und wischte mit den Handflächen über den Hosenstoff. »Nun ja, ich weiß nicht, aber es kann schon sein.«
»Sicher.«
»Was soll ich tun?« flüsterte er.
»Nichts.«
Er zuckte zusammen. »Was haben Sie da gesagt? Nichts tun? Mich kurzerhand in mein Schicksal ergeben?«
»So ist es.«
»Dann bin ich verloren.«
Mein Lachen irritierte ihn. Ich brach es schnell ab. »Nein, Sie sind nicht verloren, Mister Hayer.«
»Bitte, das müssen Sie mir erklären.«
»Gern.« Ich lächelte. »Wenn Sie wieder kontaktiert werden, sind Sie nicht mehr allein. Denn da bin ich bei Ihnen. Betrachten Sie mich von nun an als Ihren Leibwächter.«
Tommy Hayer bewies, daß er Humor hatte. »Nur schade, daß ich nicht Whitney Houston bin.« Er wurde schnell wieder ernst. »Wie haben Sie sich das denn vorgestellt? Wollen Sie hier an meinem Bett ausharren und Händchen halten?«
»Überhaupt nicht. Ich möchte Sie fragen, ob Sie überhaupt noch hier im Krankenhaus bleiben müssen.«
»Meinetwegen nicht. Ich fühle mich top. Da müssen Sie schon die Weißkittel fragen.«
»Das werde ich auch.«
Er konnte es noch immer nicht fassen. »Tatsächlich?« Tommy stand auf.
»Das wäre natürlich stark.«
»Warten Sie hier.«
»Ja – oder soll ich nicht lieber mitgehen.« Er schielte zum Fenster.
»Falls mal jemand kommt.«
»Okay, dann begleiten Sie mich.«
»Ich ziehe mich nur rasch an.« Seine Sachen hingen im Schrank. Als er die hervornahm und die Kleidungsstücke anschaute, verzog er die Mundwinkel. »Blut«, murmelte er. »Alles eingetrocknet. Damit kann ich mich nicht sehen lassen.«
»Wir fahren zu Ihnen nach Hause. Dort können Sie sich dann umziehen.«
Hayer löste die Schlinge des Gürtels. »Wissen Sie denn schon, wie es weitergeht?«
»Leider nein.«
»Sie hoffen, daß sich die andere Seite zeigt.«
»Ja.«
»Ich kann mir schönere Lockvögel vorstellen als ausgerechnet mich, Mister Sinclair.«
»Das ist eben Schicksal. Wenn alles überstanden ist, werden Sie Stoff für eine ganze Sendung haben.«
Tommy stieg in die Hosen. »Denken Sie denn, daß mir das auch nur ein Hörer glaubt?«
»Nein.«
»Eben. Ich würde fliegen.« Er nahm noch seine Jacke mit und schaute auf den großen, dunklen Fleck. Danach verließen wir das Zimmer. Der Oberarzt stand noch nicht zur Verfügung. Wir mußten auf ihn warten. Als er schließlich kam, schaute er mich ebenso böse an wie seinen Patienten.
»Was soll das?«
Ich wies mich aus, was den kleinen Mann mit der Halbglatze nicht beeindruckte. »Na und?«
»Ich möchte Mister Hayer mitnehmen.«
»Jetzt sofort?«
»Ja.«
»Das geht nicht.«
»Nennen Sie mir den Grund.«
Er begann mit seinen langen Ausführungen über irgendwelche Untersuchungen, die er noch mit Tommy Hayer anstellen wollte. Für mich waren das Ausflüchte, und ich fragte dazwischen, ob der Patient nicht als Versuchskaninchen benutzt werden sollte.
Da regte sich der Weißkittel noch mehr auf. »Was erlauben Sie sich? Wo denken Sie hin, Sie… Sie…«
»Ich gehe dann auf eigene Gefahr, Doktor.«
»Ja, ja, gehen Sie. Aber Sie werden mir das unterschreiben, Mister Hayer.«
»Alles, was Sie wollen.«
Im Büro wurde die Erklärung vorbereitet. Eine junge Lernschwester mußte tippen. Sie hörte gern Radio und bat Tommy um ein Autogramm, das sie auch bekam.
Zuletzt mußten noch zwei Unterschriften geleistet werden, dann konnten wir gehen. Vor dem Haus auf dem betonierten Vorplatz atmete Tommy tief durch. Er riß die Augen auf und warf die Arme hoch. »Das ist der süße Duft der Freiheit«, erklärte er. »Einfach wunderbar.« Er strahlte mich an. »Danke, daß Sie mich aus diesem Bau herausgeholt haben.«
Ich hob die Schultern. »Okay, gern geschehen, aber noch ist nichts entschieden.«
»Ja«, murmelte er und senkte den Kopf. »Leider…«
***
Tommy Hayer lebte in einer kleinen Pension, weil er eine eigene Wohnung nicht gefunden hatte und er mit der Wirtin ins Handeln gekommen war. Sie hatte ihm einen guten Preis gemacht, der auch das Frühstück einschloß, für einen Junggesellen ideal. Zudem war die Frau stolz, einen Mann vom Radio beherbergen zu können, was sie ihren Freundinnen schon mehr als einmal erzählt hatte, wie ich von Hayer wußte. Ich lernte die Wirtin auch kennen. Sie war schon älter, sehr rundlich und hatte etwas Mütterliches an
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