Vampirwelt
Frau…?«
Er nickte.
Die Schwester erbleichte noch stärker. »Und wo ist diese Person jetzt?«
Tommy blieb stehen. Er hob die Schultern. Dann schaute er sich um und bewegte seinen Kopf sehr langsam. »Ich weiß es nicht mehr«, flüsterte er. »Ich kann es Ihnen nicht sagen… sie ist weg. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst.«
»Ja, das sehe ich auch so.«
»Das kann doch niemand, nicht wahr?«
»Stimmt.«
Die Krankenschwester holte tief Luft. Sie schwankte etwas. Ihr Mund zuckte, ohne daß sie ein Wort sagte. »Ja, es ist alles so komisch. Ich bin verzweifelt. Ich habe nichts, gar nichts… ich… muß es eigentlich dem Oberarzt melden.« Sie sprach schnell, leise und brachte die Sätze nicht in den richtigen Zusammenhang.
»Tun Sie es nicht.«
Die Schwester senkte den Kopf. »Ja, Mister Hayer, es ist wohl besser, wenn ich stumm bleibe.« Sie nickte sich selbst zu. »Es ist wohl besser«, wiederholte sie. »Sonst werde ich noch verrückt, drehe durch, und man wird mich wegschaffen.«
»Das glaube ich auch.«
»Was soll ich denn sonst tun?«
»Vergessen Sie es.«
»Das kann ich nicht.«
»Dann schweigen Sie nur darüber.«
Die Schwester hob den Kopf an. Die sonst so glatte Haut der Stirn zeigte ein Muster aus Falten. »Ich denke, das ist der beste Rat, den man geben kann, Mister Hayer, ja, das denke ich. Wir können es so machen, wir müssen es so tun. Gute Nacht.« Sie drehte sich um und ging davon wie eine Schlafwandlerin.
Auch Tommy Hayer fühlte sich nicht besser. Er wollte nicht länger im Flur bleiben. Mit tappenden Schritten bewegte er sich auf die Tür seines Zimmers zu, noch immer mit nahezu blicklosen Augen. Obwohl Tommy schon rätselhafte Erlebnisse hinter sich hatte, konnte er diese Begegnung nicht verkraften und noch weniger einordnen. Aber er wußte instinktiv, daß etwas in sein Leben getreten war, das mit dem normalen Verstand nicht zu begreifen war.
Eine andere Welt hatte sich ihm gegenüber geöffnet, eine gefährliche Welt.
Er öffnete und schlich in den Raum. Das Licht der kleinen Lampe schimmerte weich, aber es beruhigte ihn nicht. Die Kraft war dabei, ihn zu verlassen. Er stand körperlich zumindest dicht vor dem Ende und war deshalb froh, das Bett vor sich auftauchen zu sehen.
Setzen, legen, aufstöhnen.
Tommy lag auf dem Rücken. Er starrte die Decke an und hoffte, Schlaf zu finden. Doch wer Angst hat, kann nicht schlafen, und Tommy hatte Angst. Was würde ihm die Zukunft bringen?
***
Ich gehe nicht gern in Krankenhäuser, aber manchmal läßt es sich eben nicht vermeiden. Das Gespräch mit einem gewissen René Pulger hatte mich in diese Lage gebracht. Ich hatte eigentlich vorgehabt, ihn wieder wegzuschicken, wenn er nicht bei der ersten Kontaktaufnahme direkt auf den Punkt gekommen wäre. Es ging um den Schrei!
Den wiederum hatte ich während der Gartenfete gehört und konnte auch noch Zeugen aufführen. Von Pulger wußte ich, daß die Ärzte vor einem Rätsel standen, denn der Moderator, Tommy Hayer, hatte nur Blut verloren. Weitere Verletzungen hatte er keine.
Da standen die Mediziner vor einem Rätsel. Sie würden natürlich versuchen, eine Lösung zu finden, an die ich wiederum nicht glaubte. So etwas sah einfach anders aus. Man kam sicherlich nicht mit Wissenschaftlichen Methoden weiter, es mußte etwas anderes dahinterstecken. Das sagte mir einfach mein Gefühl.
Nun gehöre ich zu den Menschen, die auf ihre Gefühle hören. Da sowieso kein anderer Fall vorlag, nahm ich mir die Zeit für einen Krankenbesuch. Daß ich kommen würde, wußte Tommy Hayer, und ich würde ihn mit meinem Besuch kaum überraschen.
Ich fragte mich an der Anmeldung durch, stieg dann Treppen und erreichte den Flur, in dem sich auch das Zimmer des Moderators befand.
Eine Putzfrau schaute mich sehr böse an, als ich über den frisch gewischten Boden ging. Ich entschuldigte mich dafür, sie brummte etwas und machte weiter.
Auf der Station war es ansonsten ruhig. Groß anmelden wollte ich mich nicht und hatte Glück, daß ich den Gang nicht erst bis zu seinem Ende durchlaufen mußte.
Das Zimmer fand ich schnell, klopfte an und wartete das laut gesprochene »Come in« ab.
Hayer drehte mir den Rücken zu. Er trug einen Bademantel, der ihm bis zu den Füßen reichte. Sein Blick glitt durch das Fenster nach draußen, wo er den bedeckten Himmel beobachtete. Als ich die Tür schloß, drehte er sich um.
Ein blasser junger Mann mit Ringen unter den Augen schaute mich an.
»Sie sind Mister
Weitere Kostenlose Bücher