Vampirzorn
legendärer Seewolf ... als sich im Jahr 1118 das Glück gegen ihn wandte und sein Schiff vor Syrakus von den Sarazenen angegriffen wurde.
Mit schweren Stichwunden, halb verbrannt und halb ertrunken fischten sie ihn aus dem Meer und nahmen ihn als Geisel. Die Sarazenen respektierten ihn als Gegner und hielten ihn in Askalon gefangen, um ein Lösegeld zu erpressen. Es waren die längsten fünf Jahre seines Lebens. Wer sollte für seine Freiheit schon zahlen? Niemand kannte ihn oder würde dies zugeben; irgendwann musste es seinen Häschern zu viel werden, ihn durchzufüttern, und dann würden sie ihn einfach aus dem Weg räumen. Zu allem Überfluss galt sein Gefängnis auch noch als ausbruchsicher. Außerdem war er zu einem Fluchtversuch ja ohnehin nicht in der Lage. Darum verbrachte er die Zeit damit, sich selbst zu heilen ...
... bis zum Seesieg der venezianischen Flotte im Jahr 1123. In der Hysterie und dem allgemeinen Durcheinander gelang es ihm endlich auszubrechen.
Da Radu die Sprache der Muslime gelernt hatte und auch noch wie ein hochgewachsener, weit ausschreitender Araber aussah (weshalb er es vermied, sich den Venezianern zu nähern, nachdem einige ihrer Schiffe gelandet waren), flüchtete er, nun völlig auf sich gestellt, in die Wüste und weiter in die Berge, von wo er sich nach Norden durchschlug ...
... Jahrelang lebte er als Fischer am See Tiberias ...
... Aus ihm wurde ein »heiliger Mann«, ein Seher, der in dem Kloster auf dem Gipfel bei Talat Musa in seinen Träumen die Zukunft vorhersah ...
... Zu guter Letzt gab es keine Klosterbrüder mehr, Radu verfügte über einen neuen Bau und führte nächtens ein hübsches Rudel an, während ihn tagsüber die dicke Mönchskutte vor der Sonne schützte ...
... Noch lange war sein Egel damit beschäftigt, ihn zu heilen. Damals bei Syrakus hatte er wahrhaft schwere Verletzungen erlitten, und seine Genesung verlief in Höhen und Tiefen ...
... Die Zeit verstrich wie im Flug. Wie seit eh und je herrschte in der ganzen Welt Krieg. Der Vierte Kreuzzug kam und ging vorüber und wurde ein Teil der Geschichte ...
Radu wachte ebenso eifersüchtig über sein Revier wie jeder andere Lord der Wamphyri vor ihm. Darum erklärte er Arabien zu seinem »Eigentum« und passte sich dem Wüstenklima so weit wie möglich an. Mit der Ankunft der Mongolen wurde es allerdings Zeit für ihn, das Mönchsgewand, das ohnehin nicht zu ihm passte, abzulegen.
Aufs Neue zog der Hunde-Lord in den Krieg, diesmal gleich aus zwei Gründen: Zum einen stellten die Mongolen eine Bedrohung dar; sollte ihr Eroberungszug Erfolg haben, würde er wieder vertrieben. Zum andern waren ihm nach dem Untergang der Assassinen und dem Fall Bagdads im Jahr 1258 gewisse Gerüchte zu Ohren gekommen, und böse Träume warnten ihn, dass sich unter den für Hulegu kämpfenden Asiaten mindestens ein Söldner befand, der ein Wamphyri war. Sein Name lautete ...
... »Ferenc der Schwarze!«
Ferenc? Doch wohl eher Ferenczy! Doch welcher war es? Waldemar? Das schien unwahrscheinlich, denn soweit Radu wusste, war Waldemar ein Feigling – sofern er noch lebte! Irgendein Blut- oder Ei-Sohn? Was spielte das schon für eine Rolle? Er war ein Ferenczy, und nichts anderes zählte! Doch Radus Träume deuteten auf mehr als nur einen Lord hin, und schon des Öfteren hatte er im Traum eine fledermausartige Gestalt gesehen, die sich aus luftiger Höhe hinab aufs Schlachtfeld stürzte. Etwa ein Drakul? Ein Ferenczy und ein Drakul, gemeinsam aufseiten der Mongolen? Nun, warum nicht; das war früher auch schon geschehen, vor über tausend Jahren auf der Sternseite. Damals hatten sie einen Pakt geschlossen, um einem noch schlimmeren Feind entgegenzutreten: Shaitan dem Ungeborenen. Heute hingegen ... ging es wohl gegen einen nicht ganz so starken Gegner.
Radu versuchte, aus dem Ganzen schlau zu werden:
Was, wenn dieser Ferenczy und dieser Drakul sich beide zugleich in den Bergen der Walachei festgesetzt hatten, wie man sie nun kannte? Dann mussten sie ebenso wie Radu die Nachricht vom Vormarsch der Mongolen und ihren überwältigenden Siegen im Osten vernommen haben. Aufgrund ihres geschickten Vorgehens, ihrer Erbarmungslosigkeit, mussten ihnen die mongolischen Reiterheere einfach unbesiegbar vorkommen. Und der beste Weg, das eigene Überleben zu sichern, bestand darin, sich ihnen anzuschließen, wenigstens so lange, bis der Krieg über sie hinweggeschwappt war?
So oder ähnlich, sinnierte Radu, mussten Ferenc der
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