Vampirzorn
erklärte Radu seinen Männern. »Ich sah ihn wie eine Eidechse den Steilhang hochklettern. Die beiden, der Drakul und der Ferenczy, taten sich zusammen, um mit den Mongolen gemeinsame Sache zu machen und bei dem blutigen Gemetzel dabei zu sein. Um ihr Vergnügen zu haben? Durchaus möglich. Um sich bei diesem marodierenden asiatischen Abschaum anzubiedern und so ihre elende Haut zu retten? Wahrscheinlich. Oder weil sie wussten, dass ich im sogenannten ›Heiligen Land‹ weile? ... Ah, damit kommen wir der Sache schon näher! Aber als sich das Schlachtenglück gegen sie wandte, ergriffen sie das Hasenpanier! Der Ferenczy ... möglicherweise war er verwundet und nicht mehr in der Lage, seine Gestalt zu wandeln? Und konnte den Gedanken nicht ertragen zurückzubleiben, während der Drakul einfach so entwischte! Vielleicht gerieten sie ja in Streit? Was auch immer, jedenfalls zog Ferenc der Schwarze dem Drakul eins über, als dieser sich gerade zum Fliegen bereit machte, und riss ihm den Egel heraus. Gut, denn das erspart mir die Mühe!«
Karl Drakuls Hemd, seine Kniehose und sein Umhang lagen nicht weit entfernt. Radu holte die Kleider her und schichtete sie auf dem bebenden Körper des einstigen Vampir-Lords zu einem Haufen. Doch als er sie gerade anzünden wollte, öffnete Karl die nun nicht länger blutroten Augen. Er drehte den Kopf nach rechts und links und erkannte seine missliche Lage.
»So«, gurgelte er, wobei die gespaltene Zunge in seinem Mund hin- und herzuckte. »Du bist es also, Radu. Nun, besser du als dieser andere Hund, der mir das zugefügt hat.«
»Wir haben nicht sehr viel Zeit«, entgegnete Radu. »Es dürfte zweifellos laut werden, wenn du brennst. Die Soldaten des Sultans können jeden Augenblick hier sein, und ich möchte eigentlich nicht, dass sie mitbekommen ...«
Der Drakul brachte ein grässliches Grinsen zustande, das seine spitzen Zähne entblößte. »Anonymität ist gleichbedeutend ...«
»... mit einem langen Leben«, nickte Radu. »Aber das trifft auf mich zu, fürchte ich, nicht auf dich.«
»Wirst du es ... ah! Ahhh! ... kurz machen?« Karl wand sich ein bisschen und blieb dann schwer atmend reglos liegen.
»Wenn du mir meine Fragen wahrheitsgemäß beantwortest!«
»Frag’ schon, aber rasch! Ich bin meiner Kräfte beraubt, nur noch eine leere Hülle ... habe keinen Egel mehr ... Im Moment unterdrücke ich meine Schmerzen, aber lange halte ich es nicht mehr aus. Es ist ... unerträglich! Wenn ich anfange zu schreien, werden sie auf uns aufmerksam.«
Radu nickte grimmig, wie es seine Art war. »Wenn du schreist, ist es noch schneller aus mit dir! Aber na gut, kommen wir zur Sache. Wer ist er?«
»Jetzt? Ferenc der Schwarze«, erwiderte Karl. »Vorher nannte er sich Faethor. Der Urenkel von Nonari Grobhand Ferenczy. Und ... man kann ihm nicht trauen.«
»Das sehe ich«, entgegnete Radu. »Wie viele sind von euch übrig?«
»Wamphyri?«
»Drakuls. Erst die Drakuls!«
»Nur ich.«
»Lügner! Was ist mit Egon?«
Radu blickte Karl tief in die Augen, und als dieser den Blick abwenden wollte, packte er ihn an den großen, fleischigen Ohren und hielt seinen Kopf fest. Karl hatte ihm nichts entgegenzusetzen, Radus Blick durchdrang ihn bis ins tiefste Innerste und wäre ihm auch in die Seele gedrungen, hätte er eine gehabt. »Ah, er lebt!« Radu ließ Karls Ohren los, blieb aber in der Hocke sitzen. »Und er hat keine Ei-Söhne, und Blut-Söhne auch nicht – jedenfalls noch nicht. Vielleicht, wenn er hiervon erfährt ...
... Das wird er, und zwar in dem Moment, in dem ich mein Leben aushauche!«
»Du willst es ihm ... mitteilen?«
»Er wird es einfach wissen. Das ist eine Eigen-ah! Ahhh! -art von uns Drakuls.«
»Nun zu den Ferenczys«, knurrte Radu. »Wie viele?«
Karl traten die Augen aus den Höhlen, grauer Schweiß lief ihm übers Gesicht und den kahlen Schädel. »Ich glaube, ich möchte jetzt sterben«, sagte er.
»Ich werde dich nicht daran hindern«, entgegnete Radu. »Aber vorher will ich wissen, wie viele Ferenczys es noch gibt. Oder möchtest du etwa nicht, dass ich es erfahre? Immerhin war es ein Ferenczy, der dir das angetan hat. Er hätte es auch zu Ende bringen können, stattdessen ließ er dich hier liegen, damit du morgen in der Mittagssonne verschmoren kannst. Selbst diese Felsen wären dann kein Schutz mehr gewesen.«
»Drei, von denen ich weiß«, stieß Karl hustend hervor. »Waldemar, Faethors Vater, hatte zwei Söhne. Der eine ist tot, und nur
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