Vampirzorn
tief hinab in die Finsternis reichten. Radu und seine Männer stiegen steinerne Wendeltreppen hinunter. Unten befanden sich riesige, hallende Gemächer und gewaltige Felsbottiche, allerdings noch nicht fertiggestellt. Dieser Ferenczy hatte vorgehabt, hier unten Ungeheuer zu züchten ... Das stimmte den Hunde-Lord nachdenklich! Vielleicht würde er eines Tages ebenfalls welche brauchen ...
Ein Knecht, den er als Posten zurückgelassen hatte, stieß einen Warnruf aus: Eine Staubwolke näherte sich von Westen. Es handelte sich um einen Trupp Kamelreiter, Berber, die ebenhierher wollten. Radu ließ sie herankommen, und als die Dämmerung anbrach und sie gerade einen ausgetretenen Pfad erklommen, tauchte er in ihrem Rücken hinter einem Felshaufen auf. Die Berber führten drei wunderschöne schwarze Mädchen in Fesseln mit sich, zweifellos um sie an jenen unbekannten, ausgeflogenen Ferenczy zu verkaufen. Von Radu handelten die Männer sich nur den Tod ein, allerdings erst, nachdem er sie gefoltert hatte, um mehr über den Ferenczy zu erfahren. Waldemar Ferrenzig war sein Name – ein Deutscher! Nun, das waren die Vandalen ebenfalls; aber sie waren schon zehn oder noch mehr Jahre vor Waldemar hier angekommen. So viel wussten die Berber von ihren Vorvätern.
Wie es schien, waren Radus bisherige Informationen (bezüglich eines Ferenczy, der sich den Vandalen angeschlossen hatte) also nur zum Teil richtig. Vor fünfundsechzig Jahren – wahrscheinlich nur wenige Jahre, bevor es Radu in die moldawischen Berge verschlug – hatten hunnische Invasoren diesen Waldemar, Belos Pheropzis’ Sohn (der wiederum der Sohn von Nonari »Grobhand« Ferenczy war) aus seiner Feste in Moldawien vertrieben. Darauf hatte er den germanischen Namen Ferrenzig angenommen, und die Vandalen hatten es ihm gestattet, sich hier niederzulassen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er wohlhabend, denn er war in der Lage gewesen, mit den Berbern Handel zu treiben und ihre Freundschaft zu erkaufen. Doch nun, da die Römer zurückkehrten, hatte er erneut die Flucht ergriffen.
Hah! Der Hunde-Lord sonnte sich in dem Gedanken, dass der Ferenczy vor ihm geflohen war, vielleicht sogar beide Male! Demnach war er wirklich nur ein dreckiger, feiger Ferenczy, nicht anders als vor ihm seine Ahnen auf der Sternseite und seine Vorfahren in dieser Welt. Nun, es war noch nicht vorüber; die Chancen standen nicht schlecht, dass sie einander wieder über den Weg liefen. Beim nächsten Mal würde Radu allerdings mehr Glück haben ...
Er nahm sich die verängstigten Mädchen vor. Sie seien »Prinzessinnen«, sagten sie. Sie seien die Töchter eines Scheichs, und die Berber hätten sie geraubt, um von ihrem Stamm Lösegeld zu erpressen oder sie zu verkaufen. Letzteres wenigstens verhielt sich so, wie er angenommen hatte. Er gab allen dreien einen Kuss (tatsächlich nur einen Kuss ) und die Kamele der Berber und ließ sie ziehen. Waldemar Ferrenzig wäre anders mit ihnen umgesprungen; darum erfuhren sie von Radu – entgegen seiner Natur – nur Gutes! Zu jeder anderen Zeit hätte er sie vergewaltigt und anschließend an seine Welpen verfüttert ...
Eigentlich wollte der Hunde-Lord mit Belisarius nach Konstantinopel zurückkehren, um dem Triumphzug des Generals beizuwohnen. Aber es kursierten bereits Gerüchte über seine wahre Natur. Man schrieb das Jahr 534 n. Chr., und das Mittelmeer war groß und tief. Also beschloss Radu, sich eine Zeit lang als Pirat durchzuschlagen.
Doch in Karthago, wo die römische Flotte sich versammelte und Vorräte aufnahm, ehe sie nach Byzanz aufbrach, erfuhr er mehr über diesen Waldemar Ferrenzig:
Ein Fischer erzählte ihm, dass eines Nachts, nur wenige Wochen nach der vernichtenden Niederlage der Vandalen, in Tunis ein Schiff ausgelaufen sei und »ein großer, finsterer Herr« – der Befehlshaber dieser numidischen Barke – versucht habe, ihn anzuwerben. Der Fischer hatte die Karten gesehen, und er kannte die Seewege; das Schiff war unterwegs nach Sardinien und an Korsika vorbei zum Festland.
Mittlerweile dürfte der Ferenczy sich also schon wieder an den nördlichen Gestaden des Mittelmeers befinden. Wahrscheinlich strebte er ebenjenen moldawischen Bergen zu, die bereits vor ihm sein Vater, Belos, und sein Großvater, Nonari Grobhand, so sehr »geliebt« hatten. Möglicherweise hatte Waldemar aber auch beschlossen, sich ebenfalls als Pirat zu versuchen. In diesem Fall würde Radu ihm vielleicht auf seinen Fahrten begegnen.
Vielleicht
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