Vampirzorn
Vampirsinne schweifen und tastete den Nebel ab, prüfte seine Beschaffenheit, wie er sich einem auf die Haut legte ... und wusste, worum es sich handelte ...
Inzwischen war die Sonne zur Gänze untergegangen. Radu nahm zwei Leutnante, seine Welpen, mit in die Schlucht, mitten hinein in den Nebel, und stellte fest, dass dieser sich bereits wieder verzog. Doch da er eine bösartige Präsenz spürte, erklomm er einen über den Nebel hinausragenden Felsen und schaute nach oben. Dort, am nahezu lotrechten Hang, strebte eine menschenähnliche Gestalt wie eine Eidechse dem oberen Rand der Klippe zu. Aber so, wie sie sich an den nackten Felsen klammerte, konnte es sich unmöglich um einen gewöhnlichen Menschen handeln. Ein Wamphyri!
Nur wer? Ein Drakul gewiss nicht! Denn da die Sonne bereits gesunken war, hätte dieser ohne Weiteres seine Gestalt gewandelt, um wegzufliegen. Dann also ein Ferenczy – »Ferenc der Schwarze«, der vor den Folgen der Niederlage floh. Die feige, verräterische Brut Nonari Grobhands. Verräterisch, aye, wie alle Ferenczys vor ihm.
»Radu!«, rief ein Leutnant vorsichtig aus dem sich verziehenden Nebel. Der Hunde-Lord war im Begriff gewesen, dem Kletterer eine Frage an den Kopf zu werfen: WER BIST DU? Dem hätte der Ferenczy nicht widerstehen können. Es hätte ihn überrascht, Radu hätte die Antwort riesengroß in seinem überraschten Geist gelesen, und zweifellos hätte dies seinen Verdacht bestätigt. Fluchend, weil diese Gelegenheit nun verstrichen und der Fremde über den Rand der Klippe verschwunden war, stieg Radu von seinem Felsen hinab und ging mit weit ausgreifenden Schritten zu seinen Männern, die sich am Fuß des Steilhangs zusammenscharten.
»Was gibt’s?«, bellte er – und blieb verblüfft stehen, denn es war offensichtlich, was los war. »Verräterisch« hatte er den flüchtenden Ferenczy genannt, und nun sah er das volle Ausmaß von dessen Heimtücke.
Eine Gestalt – ein »Mensch« lag, blutig und gebrochen, allerdings nicht tot inmitten des Gesteins, wo er morgen unweigerlich der Sonne ausgesetzt wäre ... hätte Radu ihn nicht gefunden. Und der Hunde-Lord kannte ihn, erkannte ihn auf den ersten Blick wieder. Natürlich, was auch sonst? Es war Karl Drakul! Eigentlich ein Lord von der Sternseite, genau wie Radu. Nun jedoch war er kaum noch mit ihm zu vergleichen.
Wie eine zerquetschte Spinne lag er, die Glieder völlig verdreht, auf dem Rücken. Und noch während Radu hinschaute, begann der nackte Körper des bewusstlosen Drakul sich zu verwandeln. Ausgeprägte, aus zähem, grauem Fleisch bestehende Flughäute, ähnlich den haarigen, membranartigen Schwingen einer Fledermaus, die sich zwischen seinem Rumpf und den Armen spannten und bis hinab zu den Oberschenkeln reichten, schrumpften in seinen Körper zurück! Und in dem Maß, in dem die spindeldürren Gliedmaßen kräftiger wurden, gewann auch der Körper wieder an Umfang und Gewicht.
Oh ja, die fleischigen Lippen und der kahle Schädel, die purpurnen Ringe um die tief liegenden Augen, die flache Nase, der man die Windungen nur allzu deutlich ansah – dies war eindeutig Karl. Aus seinem offenen Mund hing die gespaltene Zunge eines lügnerischen Wamphyri-Lords. Und erst die Zähne! Und diese Hände, wie die Klauen einer Bestie!
Radus Leutnante hatten Ähnliches auch zuvor schon gesehen – an ihrem Gebieter nämlich –, doch noch nie in diesem Ausmaß. Es war eine Sache, von einem Augenblick auf den anderen Aussehen und Verhalten eines riesigen Wolfes anzunehmen. Aber eine Riesenfledermaus nachzuahmen, stand auf einem vollkommen anderen Blatt! Murmelnd und einander Blicke zuwerfend wichen sie einen Schritt zurück. Dafür trat Radu vor. »Er wollte gerade losfliegen«, knurrte er, »als dieser andere Bastard ihm eins überzog und ihn aufschnitt. Das war’s dann wohl mit ihrem Bündnis!« Fluchend drehte er Karl Drakul mit einem Tritt um, sodass dieser mit dem Gesicht nach unten im blutigen Staub lag.
Da erst war das Schlimmste zu sehen: ein Schwerthieb entlang des Rückgrats der untoten Kreatur und die ausgefransten Fetzen, wo das Fleisch beiseite gezerrt worden war, um die Wirbel freizulegen. Sie waren voller Kratzer und Einkerbungen, völlig verbogen und übersät von winzigen Löchern, wo sich etwas wie ein fremdartiges Organ eingeschmiegt hatte. Karls Vampiregel, so viel wusste Radu – und Ferenc der Schwarze hatte ihn herausgerissen und aller Wahrscheinlichkeit nach gefressen!
»Einer ist entkommen«,
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