Vampirzorn
zu bestrafen; ebenso gut könnte man einer Hauskatze einen Tritt versetzen. Er würde einfach nicht begreifen, warum, und mit Zähnen und Klauen auf einen losgehen – und dann müsste Francesco ihn töten. Am besten ließ man ihn einfach links liegen. Ebendies tat Francesco, indem er sich wieder Nicosia zuwandte.
»Okay, ich gestehe euch zu, dass es ein Versehen war. Ihr wolltet Anderson aufhalten – ihn davon abhalten, einen Fluchtversuch zu unternehmen, und seinen geistigen Widerstand brechen – indem ihr ihn körperlich geschwächt habt. Aber ihr seid zu weit gegangen. Und doch hast du, wie du sagst, etwas herausbekommen. Also gehen wir alles noch einmal durch, alles, was er dir erzählt hat.«
»Vor vier Jahren«, begann Nicosia, »wurde er ins E-Dezernat bestellt, um diesen Harry Keogh zu hypnotisieren – beziehungsweise den Mann, den sie Harry Keogh nennen. Er sollte Keoghs ›Talente‹ einschränken – frag’ mich nicht, worin die bestehen –, damit Keogh, wenn er das Dezernat verließ, nicht von irgendeiner anderen Organisation eingesetzt werden konnte. Das Einzige, was Anderson wusste, war, dass Keogh irgendein Top-Mann ist. Darcy Clarke, der Chef des E-Dezernats, und die ganzen anderen komischen Scheißkerle hielten große Stücke auf ihn. Aber sie wollten nicht, dass er, was auch immer er kann, für irgendjemand anderen tut.« Damit verstummte er achselzuckend.
»Das ist alles?«, fragte Francesco (vielleicht nicht ganz) verblüfft.
»Bis vor einer Woche. Da kontaktierte Clarke Anderson erneut und sagte ihm, er solle ins Dezernat kommen und sich Keogh einmal ansehen. Das war der Zeitpunkt, als wir sie alle zum ersten Mal beisammen sahen – Anderson, Clarke, Trask und Keogh. Und als sie sich trennten, ergriffen wir die Gelegenheit und schnappten uns Anderson. Es schien das Richtige ... nicht nur, weil man es uns befohlen hatte, sondern auch, weil Anderson und Keogh einander offensichtlich kannten. Weshalb sollten sie denn sonst zusammen sein?«
Der Francezci nickte. »Ihr hattet den Befehl, ihn mitzunehmen – nicht, ihn umzubringen! Aber wie dem auch sein mag, weshalb sollte Anderson sich diesen Keogh ansehen? Wozu? Worauf sollte er achten?«
Nicosia zuckte die Achseln. »Clarke hatte Angst, dass Andersons Hypnose – das, was er damals, vor vier Jahren, mit Keogh angestellt hatte – zu tief reichte. Er wollte Andersons Meinung dazu hören und wissen, ob man es wieder umkehren könne. Anderson sagte ihm, ja, das könne man, und wollte noch am selben Abend wiederkommen, um es in Ordnung zu bringen.«
»Er wollte ihm seine speziellen Talente wiedergeben?«
»Ja, ich glaube schon. Aber das konnte er nicht, weil wir ihn hatten.«
»Und er sagte kein Wort davon, worin diese Fähigkeiten bestanden?«
»Francesco, wir haben es versucht!« Nicosia hob hilflos die Hände. »Verdammt, du siehst doch, wie sehr wir uns angestrengt haben! Aber Anderson wusste wirklich nichts, das kann ich beschwören. Er wurde nie eingeweiht!«
»Das ist der Teil, der alles zunichte macht«, knurrte Francesco. »Er hatte also keine Ahnung! Nun, vielleicht wusste er ja doch etwas, aber womöglich ist es eine so große Sache, dass er all dies hier auf sich nahm, um nichts preiszugeben.« Abermals warf er einen Blick auf die zerstückelten Überreste. Im Grunde ging er davon aus, dass Nicosia recht hatte. Kein Mensch wäre in der Lage, auch nur einen Bruchteil dessen zu ertragen, ohne zu reden wie ein Wasserfall ... sofern es irgendetwas gab, was er erzählen konnte. Und was nun Kyles beziehungsweise Keoghs Talente betraf – vielleicht wusste Francesco ja bereits, worin sie bestanden hatten und womöglich noch immer bestanden.
Der Mann musste eine Art lebendes Gespenst sein; er kam und ging, ohne Spuren zu hinterlassen. Weder Stahltüren noch labyrinthische Tunnelsysteme oder Kombinationsschlösser vermochten, ihn aufzuhalten. Offensichtlich hatte er für Derartiges nur ein müdes Lächeln übrig; und das war im höchsten Grade ... destruktiv. Und teuer. Kein Wunder, dass dem E-Dezernat daran lag, dass er heil und unversehrt war, insbesondere wenn sie so etwas noch einmal vorhatten. Oder vielleicht wussten sie ja auch über Radu Bescheid und planten, Keogh gegen den Hunde-Lord einzusetzen ...
»Francesco, was soll ich dir sonst noch erzählen?«, meinte Nicosia niedergeschlagen. »Das ist alles ...« Sein Blick wanderte hin und her, so als wünsche er sich, es gäbe mehr zu sagen. Aber er wusste, dass der Francesci
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