Vampirzorn
im Sicherheitsbereich, warteten bereits zwei weitere Pfleger aus weniger sicherheitsempfindlichen Stationen auf sie. »Ich hab’ sie runtergerufen«, erklärte Willis. »Ich konnte die Station ja schlecht ohne Aufsicht lassen. Die Vorschriften, Sir.«
Die vier Männer blickten durch die Panzerglasscheibe den Korridor von Station G entlang bis zu der ersten Sicherheitstür. Den Kontrollleuchten zufolge war alles in Ordnung. Doch von dem Bildschirm über dem Kontrollpult neben der Scheibe starrte sie – aus einer Zelle, die eigentlich leer stehen müsste – das Gesicht eines Fremden an. Es wirkte, zumindest im Augenblick, vollkommen ausdruckslos und schien sehr gut hierher zu passen.
»Zellennummer?«, bellte der Direktor.
»Wir müssen die komplette Prozedur hinter uns bringen, um zu ihm zu gelangen«, entgegnete Willis. »Drei Türen und drei Sätze Schlüssel. Er befindet sich in Sektion C, ganz hinten in der allerletzten Zelle.«
»Wer auch immer der Kerl ist«, sagte einer der Pfleger grinsend – und ließ, als er den Ausdruck auf Quants Gesicht sah, das Grinsen bleiben – »er geht, äh, kein Risiko ein. Ich meine, äh, sicherer als die hinterste Zelle von Sektion C geht’s doch nicht, oder?«
VIERTES KAPITEL
IM IRRENHAUS.
DER ANDERE HARRY
B. J. hatte Harrys Nachricht erhalten. Er hatte ihr ausgerichtet, er werde schon wissen, wann und wo sie zu finden sei. Natürlich würde er das; wenn die Zeit des Vollmonds näherrückte, konnte er gar nicht anders. Dann würde er den Drang verspüren, sie aufzusuchen, und auch ganz genau wissen, wo. Und was den Rest seiner Nachricht betraf: Woher wusste er, wo ihre Feinde sich aufhielten? Waren seine Bewusstseinsebenen miteinander verschmolzen und hatte er sich selber zusammengereimt, dass die Ereignisse sich zuspitzten und wo das letzte Zusammentreffen stattfinden musste? Falls dem so war, dann war er stärker und noch um einiges außergewöhnlicher, als sie angenommen hatte. Doch wer konnte schon alles über den Geheimnisvollen wissen? Ihren – beziehungsweise Radus – rätselhaften Harry Keogh. Doch das blieb abzuwarten ...
Unterdessen war B. J. weitergezogen. Sie musste in Bewegung bleiben. Falls Harry sich irrte und die Drakuls sich nicht nach Norden gewandt hatten, durfte sie nicht zulassen, dass sie sie fanden. Außerdem waren da noch der Späher und die Ferenczys: Dass diese sich in den Highlands aufhielten, und zwar im Spey Valley, wusste sie mit absoluter Sicherheit; schließlich hatten sie in Inverdruie versucht, den Alten John umzubringen. Wie man es auch drehte und wendete, irgendwie behielt Harry durchaus recht: Zumindest einige ihrer Feinde befanden sich oben im Norden, was für B. J. wiederum hieß, dass sie nicht dorthin durfte – noch nicht. Da also gleich von mehreren Seiten Gefahr drohte, blieb B. J. in Bewegung. Sie war weitergezogen, allerdings nicht zu weit und keinesfalls in die Highlands.
Denn hätte sie dies getan, wäre es – angesichts dreier Vampirgruppen, die sich an einem Ort konzentrierten, in einem engen Tal, in dem es bloß eine Handvoll Städte und Dörfer gab – früher oder später zum Zusammenstoß gekommen. Und da Radus Auferstehung unmittelbar bevorstand, hatte B. J. nicht vor, eine weitere Konfrontation zu riskieren. Wie dem auch sein mochte, mittlerweile waren sowohl die Drakuls als auch die Ferenczys wahrscheinlich genauso sehr auf der Hut vor ihr wie sie vor ihnen. Dreimal hatte es einen Zusammenstoß gegeben, und jedes Mal hatten sie den Kürzeren gezogen. Und beim vierten Mal: Nun, den Tod der armen Zahanine konnte man wohl kaum als rechtmäßige Kriegshandlung betrachten. Nein, das war schlicht und einfach Mord gewesen!
Sie standen einander in einer Pattsituation gegenüber, und die anderen ließen sich Zeit. Nachdem sie dahintergekommen waren, wo ungefähr Radu sich aufhielt, brauchten sie nur noch auf B. J. zu warten, um sie abzufangen – denn selbstverständlich war ihnen klar, dass sie sich irgendwann in den Norden begeben musste, um sich in der Stunde seiner Auferstehung um ihn zu kümmern. Und sollten sie es nicht schaffen, sie außer Gefecht zu setzen, noch ehe sie Radu aufsuchte, würden sie ihr einfach zu ihm folgen und beide überraschen, wenn sie am verwundbarsten waren.
B. J. befand sich mit dem Rudel wieder in Edinburgh. Sie hatten in einer kleinen Absteige Unterschlupf gefunden und verließen das Hotel nur, wenn es unbedingt notwendig war ... und einer dieser Ausflüge bereitete ihr nun
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