Vampirzorn
jedoch ...« Stolpernd wich er von der Kante zurück. »... bin ich müde. Ich bekomme einfach nicht genug ... ich kann überhaupt nicht mehr schlafen, nicht mit diesem Ding in mir, das mich verändert. Ich lasse dich jetzt allein, damit du dir über deine Zukunft Gedanken machen kannst!«
Damit wankte er an den Flaschenzug, ließ das Gitter auf die Öffnung des Schachtes herab und schaltete den Strom wieder ein. Doch als er Anstalten machte, die Höhle zu verlassen, erscholl mit einem Mal ein fürchterliches Geschrei in seinem Kopf:
ANGELO LÜGT! ER LÜGT, LÜGT, LÜGT! Es waren die unzähligen Persönlichkeiten des alten Ferenczy, über die dieser nicht mehr die volle Kontrolle hatte. Die Schreie erschütterten Antonio bis ins Mark.
»Was?« Bebend presste er die Hände an seine Schläfen.
ANTONIO, DEIN VATER BELÜGT DICH! ... DU HAST RECHT: ER WEISS, WIE ES AUSGEHEN WIRD, UND BEREITET SICH DARAUF VOR. DIE ZÄHLEBIGKEIT DER WAMPHYRI! ... WEDER WÜNSCHT ANGELO SICH DEN TOD, NOCH FÜRCHTET ER IHN. EIN TEIL VON IHM IST JA BEREITS TOT, UND DARIN BRÜTET ER ...
Schweigt!, versuchte Angelo sie zu überschreien. Antonio wusste, dass der alte Ferenczy sich allein durch Willenskraft in einen komatösen Zustand versetzen konnte, und mit sich die Bewusstseine all seiner Opfer ebenfalls, wenn er es wünschte.
»Inwiefern hat er mich belogen? Sagt es mir, rasch!« Er wandte sich wieder der Grube zu in der Hoffnung, dass sie ihn über seinen Vater zu »hören« vermochten. »Was brütet er aus?«
MYRIADEN VON ...
Seid still! , knurrte Angelo drohend, bemüht, sich und die anderen abzuschotten.
»Myriaden von ... was?« Doch Antonio sah, dass die Ausdünstungen aus dem Schacht – die von seinem Vater »ausgeatmeten« Dämpfe – bereits dünner wurden.
MYRIADEN! Abermals dieses Wort.
Myriaden, erscholl es noch einmal in einem verklingenden Flüstern, das schließlich erstarb.
Und dann herrschte Schweigen ...
Antonio kochte vor Wut, während er den höheren, geistig normaleren Bereichen der Manse Madonie entgegenstieg. Sein abscheuerregender Vater mochte wen oder was er wollte für seinen Zustand verantwortlich machen, in seinen, Antonios Augen, war das Ganze erblich. Hätte Angelo es sich nicht zugezogen, hätte es sich gar nicht erst in seinem Blut befunden, dann hätte es jetzt auch Antonio nicht. Und nun war der Alte schon wieder hungrig. Nun, das war nichts Neues. Etwas Frisches, Junges wollte er haben. Denn er mochte sie jung und rein, der alte Ferenczy.
Ein boshaftes Grinsen stahl sich auf Antonios Gesicht. Er würde die Gier des Ungeheuers schon stillen – allerdings auf seine Art. Und auch erst, nachdem er davon überzeugt war, dass Angelo ihm alles gesagt hatte, was er wusste. Bis dahin sollte er ruhig Hunger leiden. Er würde schon nicht verhungern, nein, sondern einfach zusammenschrumpfen, austrocknen und irgendwann schließlich zu Stein werden! Ihn mithilfe von Feuer vernichten? Oh, nein – da lag Francesco völlig falsch. Aber ihn in seiner Grube einzumauern und ihn in der Finsternis verrotten und bis in alle Ewigkeit schreien zu lassen ... das wäre wesentlich angemessener.
Und weil Antonio davon ausging, dass sein Vater ihn »belauschte«, fügte er hinzu: »Darüber kannst du nachdenken, du alter Bastard! Und ich versichere dir, das ist keine leere Drohung!«
Was nun Angelos »kleinen Happen« betraf: Antonio hatte genau, was er wünschte. Doch er schirmte seine Gedanken ab, so gut er konnte, denn dies sollte eine Überraschung bleiben bis zum Schluss. Jung und frisch? Ha! Wenn sein Vater seinen Forderungen schließlich nachgab, würde er durchaus seinen Lohn erhalten, gewiss. Und dieser Lohn hieß ... Katrin.
Tatsache war, dass die grässliche Abnormität, zu der der alte Ferenczy geworden war, nichts von alldem mitbekam. Die gewaltige Masse metamorphen Fleisches hatte sich von der Außenwelt abgeschottet und schlief. In einer Ecke der natürlichen Felszyste hingegen, die seine Zelle darstellte, moderte ein Teil von ihm, den er in voller Absicht aus sich herausgepresst und entfernt hatte, warme Gase ausstoßend vor sich hin und regte sich in einer Art eigenem »Leben«. Purpurne Stränge eines kryptogenetischen Pilzgeflechts durchzogen es bereits kreuz und quer.
Bald würde das Ganze unter dem Druck der ersten schwarzen Kappen aufplatzen, und unzählige weitere würden folgen, allesamt wie obszöne Blüten bis zum Bersten gefüllt mit Myriaden blutroter Sporen ...
Harry konnte sich nicht
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