Vampirzorn
»Wir sind ein Krankenhaus, eine psychiatrische Klinik. Glauben Sie, deshalb wären wir über eine Prüfung erhaben? Im Gegenteil, den Leuten ist nicht egal, wie wir unsere Insassen behandeln. Und unsere Aufgabe besteht darin, uns um sie zu kümmern! «
»Und wenn sie ihn tatsächlich hier eingeschleust haben«, gab Willis zu bedenken. »Ich meine, woher wollen Sie wissen, dass die nicht bereits warten und sich fragen, weshalb wir noch nichts wegen ihm in die Wege geleitet haben?«
»Nicht wir, sondern ich!«, herrschte Quant ihn an.
Willis zuckte die Achseln. »In Ordnung! Ihr Problem – Sir!«, sagte er mit zusammengekniffenen Augen.
»Morgen«, nickte Quant, indem er den Aufzug betrat. »Ich werde morgen einen Bericht über die Ereignisse verfassen. Immerhin gibt es ja noch vorgesetzte Dienststellen. In der Zwischenzeit ... machen Sie ihn bitte sauber! Und sehen Sie zu, dass es auch dabei bleibt. Wenn wir ihn übergeben müssen, was wahrscheinlich der Fall sein wird, möchte ich, dass er sich in der bestmöglichen Verfassung befindet. Und das gilt für alle Insassen, kapiert? Sollte unsere Einrichtung überprüft werden, darf es keine Kritikpunkte geben.«
Während der Aufzug Quant nach oben brachte, stürzte Willis zurück in den Überwachungsraum. Die verrückte Schweinebande musste ihren Fraß bekommen – und er wusste auch schon, wen er sich zuerst vornehmen würde. Unsere Aufgabe besteht darin, uns um sie zu kümmern! , knurrte er vor sich hin. Es gibt da ein Problem mit der Nahrungszufuhr, nicht wahr? Ach, tatsächlich? Nun, Dave Willis wusste, wie er diesem rätselhaften Verrückten, wer auch immer er verdammt noch mal sein mochte, Probleme bereiten konnte! Und komme, was da wolle – die nächste Dose Schlabberzeug würde er dem Kerl einflößen, und er würde sie auch bei sich behalten!
Harry bekam nicht mit, wie Willis seine Zelle betrat, merkte noch nicht einmal, dass er überhaupt da war, bis er die heiße Babynahrung auf den Lippen und den scharfen Rand des Löffels spürte, der ihm in den Mund gestoßen wurde. Derart aus seiner Apathie gerissen, bestand seine erste Reaktion darin, hustend nach Luft zu schnappen und den Brei auszuspucken. Doch damit machte er alles nur schlimmer.
Aber als es schließlich vorüber und alles wieder ruhig war, blieb er bei klarem Bewusstsein. Denn nun gab es eindeutig etwas, worauf er sich konzentrieren konnte. Und die große Mehrheit, seine Freunde unter der Erde, ergriff die Gelegenheit beim Schopf.
Und zum ersten Mal seit Langem hörte Harry ihnen zu – widmete ihnen seine ganze Aufmerksamkeit beziehungsweise was davon übrig war –, weil wohl so gut wie alles besser war als dies hier ...
Er ist keineswegs verrückt, erstattete ein Mann, der einst ein hoch angesehener Psychiater gewesen war, Sir Keenan Gormley Bericht. Er hat sich lediglich dazu entschlossen, aus einer Welt, die von seinem Standpunkt aus völlig wahnsinnig ist, auszusteigen. Das Problem dürfte darin bestehen, ihn zum Wiedereinstieg zu bewegen. Im Augenblick ist er ziemlich durcheinander. Sein Geist ist voller Abscheu, wenn nicht gar Hass auf einen Mann namens Willis. Und das ist auch nur natürlich. Der Kerl ist ein Pfleger, der Harry misshandelt und buchstäblich foltert! Andererseits ist dieser Willis aber auch der Grund, weshalb wir Zugang zu ihm haben. Harry sucht nach einem Ausweg aus den Schwierigkeiten, in denen er steckt. Das heißt, man kann durchaus vernünftig mit ihm reden, vorausgesetzt wir geben ihm Anlass dazu.
Ich glaube, fiel Franz Anton Mesmer ein, das geht mich ebenfalls an. Immerhin war Harry mein Patient. Oder vielmehr, zunächst hat er ja mich therapiert. Er gab mir mein Selbstbewusstsein zurück, und nun würde ich gern dasselbe für ihn tun.
Durch Hypnose? (Sofort bekam Harrys Mutter es mit der Angst zu tun.)
Eigentlich nicht, erwiderte Mesmer. Meine hypnotischen Fähigkeiten gestatteten mir lediglich einen begrenzten Zugang zu seinem Geist. Nun möchte ich mit dem arbeiten, was ich dort vorfand – mit Wissen, ja. Und dazu werde ich Ihre Hilfe benötigen, Mary Keogh.
Meine Hilfe? Was soll das heißen?
Sie müssen mir versprechen, sich nicht einzumischen, sagte Mesmer ihr unumwunden.
Das verstehe ich nicht. (Ein körperloses Kopfschütteln.)
Seine Liebe zu B. J. Mirlu, erklärte Mesmer. Ich weiß, wie ich in seinen Kopf gelangen kann. Und ich weiß ebenfalls, dass er Angst um sie hat. Jetzt, in diesem Moment, droht ihr Gefahr; das wissen wir alle, und zwar
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