Vampirzorn
waren nur die Wolken, die an einem verhangenen Himmel westwärts zogen, der Wind in den Zweigen einer schiefen, verkrüppelten Kiefer und das Pochen seines eigenen Herzens. Wahrscheinlich hatte er sich das Ganze bloß eingebildet, die Nerven, ein Hase vielleicht oder auch ein Adler, der jenseits der Bergkante in sein Nest geflogen war.
Ohne sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, machte der Alte John sich auf den ihm wohlbekannten Weg Richtung Südwesten ...
... Er hatte nicht die geringste Ahnung, dass es sich bei dem Hasen beziehungsweise Adler, der sich in sein Nest niedergelassen hatte, um Singra Singh Drakesh handelte. In seinem Schlupfwinkel zwischen den Felsen begann der Drakul-Leutnant, die Kälte völlig ignorierend, zu meditieren und sich in Trance zu versetzen, um abzuwarten, was auch immer geschehen würde. Oh, er hätte sich ohne Weiteres auf der Stelle in diesen Wolfsbau hinabgewagt, doch Singra Singh war selbst ein außergewöhnlicher Telepath und hatte Radus Unterhaltung mit dem Alten John »mitgehört«.
Radu war geschwächt; möglicherweise von seinem Jahrhunderte währenden Schlaf, vielleicht auch von etwas anderem. Was brachte es schon, sich einen kränkelnden Wamphyri-Lord zu schnappen und umzubringen, wenn man schon bald andere nichtsahnend auf dem Präsentierteller haben könnte? Und dann diese Frau – mitsamt ihren Mädchen – und nun war dies auch Singhs Rachefeldzug, nicht minder als der seines Gebieters in Tibet. Und zu guter Letzt war da noch dieser Harry Keogh. Die Anweisungen des Letzten Drakul in Bezug auf Keogh, den Mörder seines Blutsohnes, ließen an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig.
Mit geschlossenen Augen, die Handflächen vor der Brust gegeneinandergepresst, saß Singra Singh zwischen den Felsen und übte sich in einer Kunst, die er als Kind erlernt hatte, damals, vor sechzig Jahren im Kloster Drakesh, spürte das beruhigende Gewicht der Maschinenpistole in seinem Schoß und wartete ...
Francesco Francezci schäumte vor Wut. Aber Aviemore war nicht die Manse Madonie; er durfte sein Missfallen nicht allzu offen zur Schau tragen. Vorerst musste er den düsteren Geist der Wamphyri unterdrücken und im Zaum halten.
Auf dem als provisorischer Hubschrauberlandeplatz dienenden, vereisten Tennis-Court, wo keiner der Hotelangestellten sie sehen konnte, redete Francesco flüsternd und zischend auf Luigi Manoza und Angus McGowan ein. »Wo, zum Teufel, sind sie? Wo sind Jimmy Nicosia und dieser Idiot Potenza?«
»Du hast sie doch mit dem Wagen zu der Wohnung dieses Wildhüters geschickt«, erwiderte der stämmige Manoza nervös. »Du sagtest, sie sollten nachsehen, ob die Frau dort sei. Aber ... das war schon vor einer geschlagenen Stunde.«
»Vor über einer Stunde«, fauchte Francesco. »Und das für einen Auftrag, der gerade mal zwanzig Minuten dauern dürfte.«
»Aye, das war ein Fehler«, nickte Angus McGowan ... und wich prompt einen Schritt zurück, als er begriff, dass er gerade selbst einen Fehler begangen hatte. Der Francezci fuhr zu ihm herum, seine dunklen Augen in den Winkeln bereits blutunterlaufen. »Ich meine«, fügte McGowan hastig hinzu, »ein Fehler, dein Vertrauen in die beiden zu setzen. Jeder für sich sind sie ganz in Ordnung. Aber zusammen – zwei verdammte Hitzköpfe! Deiner nicht wert, Francesco.«
»Zur Hölle mit ihnen!«, zischte Francesco zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Bin ich denn nur von Idioten umgeben?«
»Die beiden unterstanden zu lange Vincents Befehl«, versuchte Manoza ihn zu beschwichtigen und zugleich Ausflüchte für die verschollenen Männer, für sie alle, zu finden. »Vielleicht fanden sie ja, wonach sie suchten, und wollten es nicht einfach dabei belassen. Wahrscheinlich taten sie es für Vincent.«
»Was denn, sich umbringen lassen?«, knurrte Francesco, ohne zu wissen, dass er damit den Nagel auf den Kopf traf. »Mein Befehl lautete zu beobachten und Bericht zu erstatten! Und ich sagte ihnen auch, wann sie zurück sein sollten!«
»Aye«, versuchte McGowan es erneut. »Aber vielleicht sind die beiden auf etwas ganz anderes gestoßen, womit sie nicht gerechnet hatten. Womöglich wurden sie ja beobachtet, eh?«
»Ich hätte dich schicken sollen«, sagte Francesco, »und vielleicht noch Guy. Dancer ist zwar nicht unbedingt der Hellste – aber er tut wenigstens, was man ihm sagt!«
»Da kommt er«, sagte Manoza, froh über den Themenwechsel, als Tanziano mit der zweiten ihrer Limousinen an den Tennisplatz
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