Vampirzorn
ihn zu fragen, wie es ihm geht?«
Sie erwiderte das Nicken. »Und danach können wir reden.«
»Wirklich reden?«
Es ist immer wirklich, Harry, immer! Für mich jedenfalls. Doch B. J. wusste, was er meinte, und sagte: »Ja, wirklich reden.«
Sie beugte sich über ihn und küsste ihn flüchtig. Er machte keinerlei Anstalten zurückzuweichen, allerdings erwiderte er den Kuss auch nicht. Danach setzte B. J. sich neben das Bett und rief den Alten John an ...
In seinem Häuschen in Inverdruie war der Alte John dabei, sich das Handgelenk zu verbinden, als das Telefon läutete. Sein verdammtes Handgelenk! Wenn seine Wunden doch auch bloß so schnell heilen würden wie bei der kleinen Mistress. Aber nein, er trug immer noch die Narben von vor drei Monaten, während sie bei Bonnie Jean mittlerweile so gut wie nicht mehr zu sehen sein dürften.
Und nun klingelte auch noch das Telefon, wo er gerade einen Knoten band und mit den Zähnen festzog. Wahrscheinlich die kleine Mistress persönlich. Aber es war nicht seine Schuld, dass er nicht angerufen hatte. Er war vierundzwanzig Stunden lang weggetreten gewesen, aye. Eine ganze Nacht und einen Tag lang. Und selbst jetzt ging es ihm noch nicht allzu gut.
»John Guiney«, bellte er mit kräftiger Stimme in den Hörer, um zu verbergen, wie schwach er in Wirklichkeit war. »Mit wem spreche ich?«
»Ich bin’s, John«, antwortete die Stimme der kleinen Mistress. Er konnte die Erleichterung darin geradezu spüren. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht, weil du dich nicht gemeldet hast.«
»Ach, gerade wollte ich anrufen!«, beteuerte John, darum bemüht, ein Jaulen zu unterdrücken. »Aber ich war völlig fertig, Bonnie Jean. Der Anstieg hat mich geschafft. Und dann noch er da oben ... oh, er war vielleicht hungrig, Mädchen!«
»John, ist alles in Ordnung?« Nun klang sie wirklich besorgt.
»Ja, jetzt wieder«, erwiderte er. »Ruhig Blut, nur keine Angst. Mir geht es gut. Er hat mich bloß ganz schön bluten lassen. Nein, nein – ich war selber schuld. Ich alter Idiot bin eingeschlafen! Hätte er mich nicht geweckt, wäre ich nicht mehr aufgewacht. Nur meine Wunde – die wollte nicht heilen, und der Abstieg hätte mich beinahe umgebracht! Deshalb habe ich die ganze Nacht und den Tag durchgeschlafen und vergessen, dich anzurufen. Entschuldige, Mädchen, ich bin ja so ein Idiot!«
B. J. seufzte tief auf. »Da gibt es nichts zu entschuldigen, John, so lange du nur in Ordnung bist. Aber du klingst so müde!«
»Ich bin auch müde. Aber bloß keine Sorge! Ich hab’ mir eine kräftige Brühe gemacht. Noch eine Mütze voll Schlaf, und ich bin wieder auf den Beinen. Außerdem, ganz tief drinnen fühle ich mich stärker denn je. Stell’ dir doch mal vor, Bonnie Jean, stell’ dir nur vor! Es ist mein Blut, das Ihn jetzt nährt!« Doch schon im nächsten Augenblick wich die Erregung aus seiner Stimme. »Allerdings ...« Er verstummte.
»Allerdings was?«, forderte sie ihn auf weiterzureden. »Ist da noch etwas, John?«
Zitternd setzte der alte John sich mit dem Hörer in der Hand hin. »Bonnie, er war nicht gerade begeistert, nein, diesmal nicht, viel schlimmer noch als beim letzten Mal. Ich habe ihm alles gesagt, was du mir aufgetragen hast, aber damit gab er sich nicht zufrieden. Er sprach zu mir – in meinem Kopf, du weißt schon – und, oh, er war wütend! Nicht so sehr auf dich, eher auf die anderen, auf die Ferenczys und die Drakuls! Aber auf jeden Fall wütend. Er hat regelrecht gekocht vor Wut! Es ist die kleine Mistress, die er braucht, und nicht – entschuldige die Wortwahl – so ein alter Sack wie ich!«
»Was hast du ihm erzählt? Was hat er von dir erfahren?« Erneut klang B. J. besorgt. John konnte beinahe hören, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug.
»Na, nur was du mir gesagt hast!« Wieder überkam ihn das Zittern, mit einem Mal packte ihn der Schwindel und alles drehte sich um ihn. »Aber du weißt ja, man braucht ihm nicht viel zu erzählen, Er sah es alles direkt in meinem Kopf.«
»Ja, ja.« Er spürte geradezu ihr verstehendes Nicken. »Und was hat er dir gesagt?«
»Oh, ich soll dir etwas ausrichten«, erwiderte John. »Und zwar: Keine weiteren Ausflüchte mehr, Bonnie Jean! Kein Ferenczy und auch kein Drakul, kein Unglück, ja noch nicht einmal der Tod – nichts darf dich aufhalten. Das nächste Mal musst du Radu persönlich aufsuchen, sonst ist es vorbei und er ist fertig mit dir! Und was deinen Geliebten betrifft, diesen Harry Keogh – den
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