Vampirzorn
Hütern der Ausgangssperre sein, die in dem langen, weltumspannenden Winter, der dem nuklearen Schlag folgen würde, den düsteren Grund der zerstörten Städte und staubigen Kratertäler sicherten, sodass in seinem Netzwerk hoch aufragender Festen während der gefährlichen Stunden des Tages weder die Vampirplage den sengenden Strahlen der Sonne ausgesetzt war noch irgendwelche Überlebenden des Krieges umherstreiften.
Doch wie dem auch sein mochte, allzu viel Tageslicht würde es in jener Welt ohnehin nicht mehr geben. Auch dies war ein Teil von Drakeshs Plan – der erste Teil –, wenn er endlich bereit dazu war, sich zum Herrn der Welt aufzuschwingen. Denn was brachte es schon, eine Welt des Lichts zu erobern, wenn letztendlich doch das Licht den Sieg davontragen würde? Doch in einer Welt, in der das Licht keine Kraft mehr hatte, weil es zunächst eine wogende Schicht radioaktiver Strahlung durchdringen und sich blindlings einen Weg durch die Trümmer dessen, was von den großartigsten Werken der Menschheit übrig geblieben war, bahnen musste ...
Drakesh war wahnsinnig, und das wusste er auch. Doch war er nicht minder pervers als jeder andere Große Vampir vor ihm und er schwelgte darin. Denn wenn erst einmal der Herrscher das letzte Wort hat und dieses auch noch Gesetz ist, wer vermag dann noch zu sagen, ob nicht vielleicht er der einzig Vernünftige ist und alle anderen arme Irre sind? Und eines Tages würde er jener Herrscher sein!
Drakesh ... stand am Rand eines seiner Bottiche und blickte hinab auf die gallertartige Oberfläche eines flüssigen »Mutterleibes«, auf der sich sanfte Wellen kräuselten. Langsam, aber sicher wuchsen sie heran, seine Krieger. Bei Bedarf konnten sie jederzeit herausgelassen werden oder aber noch weitere hundert Jahre hier liegen und darauf warten, endlich geboren zu werden. Während er schaute, wurde das Kräuseln heftiger – beinahe so, als spüre das noch unausgereifte Ding in dem Bottich seine Gegenwart –, und etwas brodelte direkt unter der Oberfläche. Der Umriss eines grotesken, mit bislang noch durchsichtigen, grau schimmernden Chitinplatten bedeckten Schädels tauchte auf und wandte sich träge zu ihm um. Einen flüchtigen Moment lang rollte ein riesiges, ausdrucksloses Auge in der zähen Flüssigkeit ...
»Stark!«, murmelte Drakesh, mit dem kahlen Schädel nickend. »Und treu bis in den Tod!« Damit hatte er recht. Diese Kreaturen waren seinem eigenen, metamorphen Fleisch entsprungen, aus dem Tunnel grabenden Wesen in der Höhle nebenan gezüchtet, und verfügten über keinerlei Verstand außer den seinen. Sie hatten keine eigenen Gedanken, es sei denn, er pflanzte sie ihnen ein ...
Er warf einen Blick auf die trogartigen Röhren, die zu den Bottichen führten, schmale, rostfarbene, aus dem Fels gehauene Rinnen, Versorgungsleitungen, die den fötalen Abnormitäten, die hier gezüchtet wurden, das aus freiem Willen gespendete Blut der Brüder zuführten. Blutbestien! Und dieser Narr von einem Oberst in Chungking, Tsi-Hong, verlangte von ihm, Krieger auf der Basis von Menschen zu züchten! Nun, ebendies hatte er vor – er tat es bereits, man brauchte sich nur die schwangeren Chinesinnen und Tibeterinnen anzusehen, die auf den steinigen Feldern arbeiteten und den Hof in der ummauerten Stadt bewirtschafteten.
Doch was nun die Bruderschaft anging, die Mönche des Klosters: Über sie wusste der Oberst nicht das Geringste und hatte keine Ahnung davon, dass auch sie Drakeshs Kinder waren! Und hätte er über die in ihren Bottichen heranreifenden Kampfkreaturen Bescheid gewusst, hätte ihn der Schlag getroffen. Er wäre auf der Stelle tot umgefallen! Nun, diese Möglichkeit bestand immer noch, auch wenn Drakesh nun gezwungen war, sich persönlich darum zu kümmern. Denn wenn jemand über die Kreaturen Bescheid wusste, musste ihm auch klar sein, dass der Hohepriester dieses Ortes beileibe kein Mensch war. Ein weiterer Grund, aus dem er seine Feste ausgerechnet hier erbaut hatte – weil dieser Ort so abweisend, so abgelegen und keineswegs einladend war. Und weil er hier (abgesehen von Major Chang Lun, jenem anderen Idioten aus Xigaze, der seine Nase überall hineinsteckte) im Großen und Ganzen in Ruhe gelassen wurde. Selbst wenn der Oberst ihn eines Tages mit seinen sogenannten »Wissenschaftlern« aufsuchen sollte, wozu es zwangsläufig irgendwann kommen musste, würde er lediglich die Stadt zu Gesicht bekommen. Schließlich war das Kloster ein »heiliger« Ort.
Weitere Kostenlose Bücher