Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vampirzorn

Vampirzorn

Titel: Vampirzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
Vom Netzwerk:
Sache womöglich selbst mit Skepsis betrachtete. In letzterem Fall müsste Chang Lun seine Anweisungen gänzlich anders auffassen. Etwa folgendermaßen: »Beobachten Sie die verbotene Stadt. Sehen Sie zu, was Sie darüber herausfinden können. Aber was Sie auch tun, tun Sie es vorsichtig! Wir haben hier schon eine Menge Zeit und Geld investiert und wollen diesen ausländischen Scharlatan nicht vor den Kopf stoßen, falls er vielleicht doch etwas hat, was für uns von Nutzen ist.« Chang Lun wusste ganz genau, wie er einen solchen Befehl auslegen musste. Nämlich in etwa so, wie er es im Augenblick tat.
    Kurz nach 10.00 Uhr abends hatte er Xigaze gemeinsam mit seinem Fahrer verlassen. Die Wettervorhersage war gut: bitterkalt natürlich, dafür jedoch klar und so gut wie kein Wind. Schnee hatten sie auch nicht angekündigt. Alle sechs Wochen (er war gezwungen gewesen, sich einen eigenen Dienstplan zu erstellen) stattete Chang Lun der Stadt einen seiner offiziellen Besuche ab. Doch dies war kein offizieller Besuch.
    Er hatte seinen üblichen Fahrer dabei, einen Unteroffizier, der Name spielte keine Rolle. Der Mann kannte jeden Stein und jede Gletscherspalte auf der Strecke, und dies allein zählte. In derart zerklüftetem Gelände, noch dazu bei Nacht, konnte einem leicht ein tödlicher Fehler unterlaufen. Hier gab es schier endlos in die Tiefe führende Spalten im Boden! Aber mit dem Snowcat war alles bestens gelaufen, und wenige Minuten nach Mitternacht waren sie heil hier angekommen.
    »Hier« – das war eine Stelle im Windschatten offen liegender Felsen am Südhang eines Hügels westlich der alten, ummauerten Stadt. Als Beobachtungspunkt war der Ort ideal. Chang Lun und sein Fahrer sicherten und tarnten die Schneeraupe, kletterten gut sechzig Meter und machten es sich hinter einem Wall aus Felsbrocken, den sie bei ihren früheren Besuchen errichtet hatten, bequem. Mithilfe eines Esbitkochers konnten sie sich sogar Tee aus ihrer Einsatzpackung aufbrühen und eine Art Mahlzeit zubereiten, indem sie ein paar Scheiben Brot mit Käse und Dosenfleisch belegten. Mit einem anständigen Nachtsichtgerät konnte man von hier aus nicht bloß die alte Stadt mitsamt ihren Wällen und Toren im Auge behalten, sondern auch die grinsende Fassade des Klosters Drakesh gut fünf Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Tales.
    Der einzige Haken an der Sache war die beißende Kälte. Selbst die beste Winterausrüstung vermochte sie nicht abzuhalten. Sie kroch einem bis in die Knochen. Der heiße Tee half zwar ein bisschen dagegen, aber nicht sehr. »Zum Teufel mit alldem!«, sagte sich Chang Lun immer wieder. Dies war das letzte Mal, dass er hierherkam, ganz gleich, wie sehr er diesen widernatürlichen, perversen Bastard auch hasste, der das Kloster unter sich hatte.
    Hass – ein starkes Wort, und Chang Lun gebrauchte es keineswegs leichtfertig. Aber er hasste Daham Drakesh schon von Anfang an, seit ihrer ersten Begegnung. Und da Chang Lun quasi Tsi-Hongs Bote war, hatte er ständig mit diesem Menschen zu tun. Diesem Menschen ... nun, wenn es nach Chang Lun ging, würde er Drakesh nicht unbedingt so bezeichnen. Ihm kam in den Sinn, wie Drakesh bei den vier, fünf Gelegenheiten (immer noch viel zu viele), da er ihm begegnet war, ausgesehen hatte.
    Drakeshs äußere Erscheinung – allein seine Gegenwart – verfehlte nie ihre Wirkung auf ihn, allerdings war diese stets unvorteilhaft. Es lag nicht nur an seiner Körpergröße (fast zwei Meter, im Gegensatz zu den gerade mal einsdreiundsiebzig des Majors), sondern vielmehr daran, dass man das Gefühl hatte, es mit etwas völlig Fremdartigem zu tun zu haben. Hinzu kam, dass die Proportionen seiner Gestalt irgendwie nicht stimmten und grotesk verzerrt wirkten. Mager bis an die Grenze der Ausgezehrtheit, schaffte er es dennoch, den Eindruck zu vermitteln, seinem dürren Körper wohne eine ungeheure Kraft inne. Seine Hände und Füße waren sonderbar lang und schmal und hatten spitze Finger mit kräftigen, gelben, klauenhaft gekrümmten Nägeln. Auf dem dürren Hals saß ein rasierter, hohlwangiger Schädel, der nach hinten zu immer länger wurde und einen Wulst bildete, sodass er aussah wie der Kopf eines Insekts.
    Und erst seine Augen ... ah, seine Augen! Sie waren der schlimmste oder vielmehr unheimlichste Teil seiner Züge. Bei Tageslicht – so wenig davon sich auch seinen Weg ins Kloster bahnte – wirkten sie beinahe glasig, wenn nicht durchsichtig, so als habe etwas jede

Weitere Kostenlose Bücher