Vampyr
Bewusstsein und Ohnmacht, als die Stimme erneut ihren Geist durchflutete.
»Schon bald.«
Leise Worte, deren Intensität sich unter ihre Haut grub, bis sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Stück für Stück ballte sich die Finsternis vor ihr zusammen, verdichtete sich zu einer Gestalt. Einer Kreatur , deren Anblick Catherine zurückfahren ließ. Geduckt wie ein zum Sprung bereites Raubtier schob sich das Wesen heran – lautlos wie die Schatten, die es geboren hatten.
Ein Geräusch durchbrach die atemlose Stille. Schritte. Auf der anderen Seite des Stalls. Das Wesen hob den Kopf und sah sich kurz um. Einen Herzschlag später sprang es auf. Catherine war nicht länger im Stande, ihre Umwelt zu erfassen. Schmerz und Furcht zwangen ihre Wahrnehmung zurück und ließen ihre Besinnung erneut schwinden. Das Letzte, was sie vernahm, ehe die Finsternis sie einhüllte, war ein leise gehauchtes: »Bald.«
3
Mit verschränkten Armen lehnte Daeron ap Fealan neben dem Fenster und betrachtete die bewusstlose junge Frau auf seinem Bett. Es war nur ein Gefühl gewesen, das ihn veranlasst hatte, den fremden Burschen auf dem Gang anzusprechen. Ein Blick in seine – ihre – Augen hatte genügt: Augen vom intensiven Grau eines Gewitterhimmels, strahlend und lebendig, wie er sie in seinem Leben nur bei einem Menschen gesehen hatte. Danach hätte es keine noch so gelungene Maskerade länger vermocht, vor ihm zu verbergen, wer sie war.
Nach dieser Begegnung hatte er sofort die Räume des Hauptmanns aufgesucht. Er hatte herausfinden wollen, ob Farrell wusste, wen er da in seine Dienste genommen hatte. Doch der Hauptmann war nicht da gewesen. Deshalb hatte Daeron sich auf den Weg zu den Soldatenunterkünften gemacht, um ihn dort zu suchen. Im Hof hatte er Gil und einen seiner Kumpane davonrennen sehen, als wäre der Teufel persönlich hinter ihnen her. Das Benehmen der beiden stimmte Daeron misstrauisch. Er beschloss nach dem Rechten zu sehen. Da hatte er Catherine gefunden. Besinnungslos. Ohne nachzudenken hatte er sie in sein Schlafzimmer getragen. Lange Zeit saß er an ihrer Seite und sah sie an. Sie zitterte am ganzen Körper. Wieder und wieder wanderten seine Hände in Richtung ihres Plaids und immer wieder ließ er sie sinken, bevor seine Fingerspitzen den Wollstoff auch nur berührten. Niemals zuvor war er ihr so nahe gekommen. Eine Weile saß er da, unschlüssig, was er tun sollte. Sie wird sich den Tod holen, wenn ich sie nicht aus diesen nassen Kleidern befreie.
Entschlossen streckte er erneut die Hände nach ihr aus und begann sie aus ihren schlammigen Gewändern zu schälen. Ohne dass er etwas dagegen tun konnte, kehrten seine Augen immer wieder zu ihr zurück. Seine Finger erledigten ihre Arbeit, bemüht, nicht mehr als den Stoff von Plaid und Hemd zu berühren. Nachdem er ihr eines seiner eigenen Hemden angezogen, ihr den Schlamm vom Körper gewaschen und sie in eine Decke gewickelt hatte, kümmerte er sich um die Platzwunde an ihrer Schläfe. Während dieser ganzen Zeit war sie nicht aufgewacht, hatte nur hin und wieder leise gestöhnt. Schließlich hatte sich Daeron zum Fenster zurückgezogen.
Warum bist du zurückgekommen? Und warum in dieser Verkleidung? Es waren nur zwei von Dutzenden Fragen, die ihm durch den Kopf gingen, seit er sie auf dem Gang zum ersten Mal gesehen hatte. Fragen, die ihn nun unwillkürlich zurück an ihre Seite trieben. Er setzte sich auf die Bettkante und betrachtete sie. Selbst im Schlaf wirkte sie angespannt. Sie wand sich unruhig und murmelte leise Worte, die er trotz ihrer Eindringlichkeit nicht verstehen konnte. Behutsam berührte er ihre Wange, dann wanderten seine Finger weiter, um ihr eine feuchte Locke aus der Stirn zu streichen. Er bemerkte, dass seine Hand zitterte. All die Jahre und noch immer hatte sie dieselbe Wirkung auf ihn. Er lächelte traurig. Wenn sie aufwacht, wird sie mir die Augen auskratzen. Das Schlimme war, dass er es ihr nicht einmal verübeln konnte. Er selbst hatte es so weit kommen lassen. Dabei wollte ich nur »Nein!«
Catherine fuhr mit einem gellenden Schrei hoch. Für einen Moment loderte nackte Panik in ihrem Blick. Daeron nahm sie bei den Schultern und hielt sie fest. Sie versuchte sich seinem Griff zu entwinden, doch er gab sie nicht frei.
»Es ist gut! Du bist in Sicherheit!« Etwas in ihrer Angst griff nach ihm, aber seine Stimme blieb ruhig. »Catherine.« Endlich erkannte sie ihn. Sie hörte auf, sich zu wehren. Ihre Brust hob
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