Vampyr
einen Moment, ehe sie ihre Stimme wiederfand, und selbst dann klang sie unsicher. Zögernd berichtete sie, was sie damals gehört hatte. »Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte es nicht länger ertragen, in seiner Nähe zu sein. Es gab niemanden … Ich wusste nicht …« Ihre Hände zitterten.
»Warum bist du nicht zu mir gekommen?«
»Du hattest Dun Brònach längst verlassen. Abgesehen davon …« Ihr Mienenspiel drückte deutlich aus, wie absurd ihr seine Frage erschien.
Sie hat nicht den geringsten Grund, mir zu vertrauen. Der Gedanke war wie ein Stachel in seinem Fleisch. Einen Herzschlag lang begegneten sich ihre Blicke. Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte dir ein Freund sein sollen, stattdessen habe ich … Verzeih mir.«
Catherine starrte ihn an. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst.
»Ich wusste nicht, was du durchmachen musstest.« Und selbst wenn ich es geahnt hätte, hätte ich nicht bleiben können. »Erinnerst du dich daran, wie sich die Nachricht von Martáinns Tod verbreitet hat?«
»Nachdem ich erfahren habe, dass mein Vater Martáinns Eltern … Ich habe lange Zeit geglaubt, seine Männer hätten Martáinn ebenfalls umgebracht. Warum sonst hätte er von seinem Jagdausflug nicht zurückkehren sollen?«
»Weil ich ihn gewarnt habe. Ich hatte herausgefunden, dass Roderick Männer ausgesandt hatte, die ihn töten sollten. Ich wusste, wohin sein Ausflug Martáinn führen würde. Also bin ich ihm gefolgt. Wir hielten es für das Beste, wenn er vorerst nicht nach Dun Brònach zurückkehrte und sich stattdessen verborgen hielt. Rodericks Männer suchten weiter nach ihm. Andere bewachten die Zugänge zum Glen Beag. Für den Fall, dass er zurückkommen sollte.«
»Aber sie haben seinen Leichnam gefunden!«
»Nicht seinen. Einen. Das hat Roderick eingefädelt. Vermutlich haben seine Männer einen Gefangenen aus dem Kerker geholt – jemanden, der nicht vermisst würde und der in Alter und Statur Martáinn ähnelte. Sie haben dem armen Mann ein paar von Martáinns Gewändern gegeben, ihn aus dem Glen Beag gebracht und getötet. Seinen Leichnam ließen sie liegen – für die Wölfe. Danach mussten sie nur noch dafür sorgen, dass die Männer des Earls ihn auch fanden. Und während jeder in Dun Brònach Martáinn für tot hielt, blieb Rodericks Männern genügend Zeit, nach ihm zu suchen.«
Daeron ballte die Hände zu Fäusten. Die Erinnerung an die unfassbaren Ereignisse, die sein Leben so nachhaltig verändert hatten, holte ihn ein. »Nachdem ich Martáinn gewarnt hatte, kehrte ich nach Dun Brònach zurück. Ich wusste, dass ich beobachtet wurde. Dennoch fanden wir einen Weg, unbemerkt Nachrichten auszutauschen. So wusste Martáinn immer, was vor sich ging.« Die unglaubliche Wut, die er angesichts Roderick Baynes Tat empfunden hatte, mischte sich mit einem Echo der Sorge, die in jenen Monaten sein ständiger Begleiter gewesen war. Wie oft hatte er befürchtet, jemand könne durch ihn erfahren, dass Martáinn lebte.
»Eines Tages erhielt ich keine Antwort mehr auf meine Nachrichten. Ich wartete und versuchte immer wieder, Kontakt mit Martáinn aufzunehmen, ohne auch nur ein Lebenszeichen zu erhalten.« Daerons Unruhe war mit jedem Tag gewachsen. Schließlich hatte er Dun Brònach unter dem Vorwand, seine Familie zu besuchen, den Rücken gekehrt. »Als ich die Burg verließ, waren mir Baynes Männer dicht auf den Fersen. Erst nachdem ich mir sicher war, dass ich sie abgeschüttelt hatte, machte ich mich auf die Suche nach Martáinn. Es dauerte fast drei Jahre, bis ich ihn endlich fand.« Martáinn war in einem erbärmlichen Zustand gewesen. Geschwächt, halb wahnsinnig und abgemagert bis auf die Knochen. Es hatte Momente gegeben, in denen Daeron geglaubt hatte, seinen Freund für immer verloren zu haben, doch Martáinn hatte wieder zu seiner alten Stärke zurückgefunden. Darüber jedoch, was ihm während dieser Zeit widerfahren war, hatte er nie ein Wort verloren.
Daeron erhob sich, ging zum Tisch und schenkte ein Glas Whisky ein. »Warum diese Maskerade?«, wollte er wissen, als er mit dem Whisky zurückkehrte und ihn ihr reichte. Eine Weile sagte Catherine nichts. Sie hob das Glas an die Lippen und trank, während sie ihn über den Rand hinweg betrachtete. Als wollte sie abschätzen, wie viel sie mir erzählen kann.
Nachdem sie getrunken hatte, nahm er ihr das Glas wieder ab und stellte es beiseite. Sie musste nichts mehr sagen. Eine der Antworten, nach
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