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Vampyr

Vampyr

Titel: Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Schritte. Aus der Ferne erklang der Ruf einer Eule. Daeron hielt einen Moment inne, um sich zu orientieren, dann entdeckte er den schmalen Pfad, der verschämt hinter den großen Grabstätten und zwischen den Grüften entlang in den hinteren Teil des Friedhofs führte. Seine Stiefel knirschten auf dem frostigen Boden. Grashalme, überzogen von silbernem Reif, knickten unter der Last seiner Schritte. Daeron duckte sich unter den frostigen Zweigen einer Eiche hindurch. Einen Augenblick später trat er wieder aus dem Schatten des Baumes. Da sah er sie.
    Catherine hatte ihn ebenfalls bemerkt. Einen Spaten in Händen stand sie vor dem Grab ihres Vaters und starrte ihn an. Sie war schrecklich bleich. Trotz der Kälte trug sie nicht einmal einen Umhang, keine Laterne erhellte ihr Tun. Dann sah er die Erde, die sich zu ihren Füßen häufte. Genau, wie ich angenommen habe.
    Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. »Geh!«, sagte sie, noch ehe er sie erreicht hatte. Ein Wort, dessen Eindringlichkeit ihn bis ins Mark traf, glaubte er doch den Grund dafür zu kennen.
    »Fürchtest du, du könntest mir etwas antun?«
    Ihre Lippen formten Sätze, die ihren Mund nicht verlassen wollten. »Bitte«, flüsterte sie endlich. »Du darfst nicht –«
    Daeron schüttelte den Kopf und stellte seine Laterne ab. »Ich werde dich nicht allein lassen. Nie wieder.« Entschlossen tat er die letzten Schritte, die ihn noch von ihr trennten. Catherine wich zurück. Ihr Absatz sank in den Erdhaufen. Sie zog den Fuß hastig heraus und geriet ins Stolpern. Daeron bekam sie am Arm zu fassen und zog sie an sich. Für die Dauer eines Herzschlags hielt er sie fest und wünschte sich, er könne alles Übel der Welt von ihr fern halten. Er spürte ihr Zittern und die Wärme ihres Atems an seinem Hals, ein Gefühl, das ihn fast um den Verstand brachte. Obwohl ihn die Sorge beinahe zerfraß, konnte er in diesem Moment an nichts anderes denken als sie zu küssen. Langsam wandte er den Kopf. Seine Lippen streiften über ihr Haar. Da befreite sie sich aus seinem Griff.
    Er sah sie an. Der Anblick ihrer bleichen Züge genügte, ihn an die Gefahr zu erinnern, in der sie schwebte. Verweigert sie das erste Blut länger als einen Tag und eine Nacht, wird sie sterben. Er schalt sich einen selbstsüchtigen Narren. Sie kämpft um ihr Leben und ich denke daran, sie zu küssen!
    Seine Augen richteten sich auf das halb geöffnete Grab. Er nahm ihr den Spaten aus der Hand und begann zu graben. Schaufel um Schaufel hob er das Erdreich zur Seite und arbeitete sich immer tiefer. Dabei war er sich deutlich der Blicke bewusst, mit denen Catherine jede seiner Bewegungen verfolgte.
    »Was tust du hier?«, brachte sie schließlich hervor. »Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
    Daeron ließ den Spaten sinken und sah sie an. »Das erkläre ich dir später. Jetzt finden wir erst die Antwort auf die Frage, die uns beide beschäftigt.« Schweigend nahm er seine Tätigkeit wieder auf. Schon bald waren sein Hemd und seine Weste schweißdurchtränkt. Der Wind strich mit eisigen Fingern über seinen erhitzen Leib. Angespornt von dem Gedanken an Catherine, die hinter ihm am Rand der Grube stand, rammte er die Schaufel wieder und wieder in den frostigen Boden. Er dachte daran, aufzuhören und sie von hier fortzubringen, wusste er doch genau, was ihn erwarten würde, wenn er das Grab offen legte: ein leerer Sarg. Doch noch immer gab es eine leise Stimme des Widerstands in ihm, die an den Worten des Priesters zweifelte. Vampyre! Tote, die aus ihrem feuchten Grab zurückkehrten! Was, wenn es nur die Mär eines verrückten alten Mannes war? Er musste sichergehen, musste auch den letzten Zweifel in sich töten, wenn er Catherine wirklich helfen wollte.
    Binnen eines Tages und einer Nacht. Verstohlen wanderte sein Blick zu ihr, streichelte ihre bleichen Wangen. Zu sehen, dass sie vor Schwäche schwankte, erschreckte ihn. Wie viel Zeit bleibt ihr noch?
    Immer wieder ging er in Gedanken den Ablauf der vergangenen Nacht durch. Es musste geschehen sein, als sie zu Farrell wollte. Etwa zur gleichen Zeit also, als Sutherland ihn in die Falle gelockt hatte. Wenn dem so war, blieben ihr noch ein oder zwei Stunden. Höchstens.
    Wieder wuchtete er die Schaufel in die Erde. Diesmal stieß er auf Widerstand. Er schlug noch einmal mit der Schaufel auf den Boden und vernahm das Geräusch von Metall auf Holz. Der Sarg. Endlich! Mit hastigen Bewegungen entfernte er die letzte

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