Vampyr
fürchtete, der Schmerz würde zurückkehren. Stattdessen nickte sie nur stumm. Daeron zog sie an sich und schloss sie fest in die Arme. Einmal mehr stieg ihr sein Duft in die Nase, verführerisch lebendig. Zitternd versuchte sie sich zu befreien, doch Daeron gab sie nicht frei.
»Ich weiß, was mit dir geschieht«, sagte er sanft.
Schon auf dem Friedhof hatte er das gesagt. Dort hatte sie es als einen Versuch, sie zu beruhigen, abgetan. Jetzt jedoch … Woher kann er es wissen?
»Ich war bei Vater Ninian.« Daeron löste seine Umarmung und griff nach ihren Händen. Voller Erstaunen und mit wachsendem Entsetzen lauschte Catherine seinen gedämpften Worten, die ein Bild von Ushanas Legende malten. Mit jedem weiteren Satz verflog ihre Erleichterung darüber, dass sie ihm nichts erklären musste, ein Stück mehr. Dumpfe Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihr aus, sobald sie das ganze Ausmaß seiner Worte begriff.
Vampyr , schrie eine Stimme in ihr. Ihr Verstand versuchte noch, sich dagegen zu sperren, doch in ihrem Herzen wusste sie längst, dass Daeron die Wahrheit sprach. Das war es, was mit ihr geschah. Kein Fluch und auch kein Zauber. Sie verwandelte sich.
Nachdem Daeron am Ende seiner Schilderung angelangt war, vermochte Catherine lange Zeit nicht zu sprechen. Ihre Hände, die immer noch in seinen ruhten, zitterten so stark, dass er seinen Griff unwillkürlich verstärkte. Sie wollte ihm sagen, dass das alles nicht sein konnte, doch seine Erzählung hatte ihr den Atem genommen.
»Verstehst du, was ich gesagt habe?«, fragte er schließlich. »Du brauchst Nahrung.«
»Nahrung?« Sie entzog ihm ihre Hände und sprang auf. Blut! Das war es, was er mit Nahrung meinte. »Ich werde nicht … mich nicht … Auch wenn es wahr ist, was du sagst, werde ich nicht zulassen, dass es geschieht! Eher sterbe ich!«
»Das werde ich nicht zulassen.« Daeron erhob sich. »Ich werde alles tun, um zu verhindern, dass dir etwas zustößt!«
»Dazu ist es zu spät.« Der Schmerz, den sie in seinen Augen fand, veranlasste sie den Blick zu senken. »Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Es tut mir Leid, dass wir nie die Chance hatten …« Tränen schnürten ihr die Kehle zu. Ihre Finger streiften über seinen Handrücken, dann wandte sie sich ruckartig ab und stürzte auf die Tür zu.
»Nein!« Daeron war blitzschnell auf den Beinen. Er packte sie am Arm und riss sie herum. »Bleib hier!«
Seine Worte dröhnten laut in ihrem Schädel. »Lass mich los!«
»Denkst du wirklich, ich würde einfach zusehen, wie du diesen Raum verlässt, um in den Tod zu gehen? Ich werde dich nicht kampflos aufgeben, Catherine. Niemals!«
»Ach, und wie willst du mir helfen?«, fuhr sie ihn an.
»Es gibt einen Weg und du weißt es.« Seine Worte ließen sie erstarren. Daeron, der sie noch immer am Arm gepackt hielt, zog sie zu sich heran. »Niemand sagt, dass du töten musst, um am Leben zu bleiben. Nimm etwas von meiner Kraft.«
»Nein«, keuchte sie atemlos.
»Ich will, dass du lebst! Für mich!«
»Nicht auf diese Weise!«, rief sie, von der Eindringlichkeit seiner Worte schockiert. Der Gedanke, dass er sie zwingen wollte Blut zu trinken – sein Blut –, verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Mit einem heftigen Ruck riss sie sich los. Sofort griff er wieder nach ihr und packte sie bei den Schultern. Catherine trat nach ihm und traf ihn unterhalb des Knies. Er sog scharf den Atem ein. Statt sie jedoch loszulassen, verstärkte er den Druck seiner Finger und zog sie weiter zu sich heran.
»Lass mich los!« Brüllend schlug sie auf ihn ein. Ihre Fäuste trommelten gegen seine Brust, ohne dass er auch nur zusammenzuckte. Catherine spürte, wie ihre Kräfte jetzt rasch schwanden, doch sie wollte nicht aufgeben. Da drehte Daeron sie herum und umschloss ihren Oberkörper von hinten mit den Armen. Strampelnd versuchte sie sich zu befreien.
»Hör endlich auf!«, knurrte er neben ihrem Ohr.
Sie kämpfte weiter gegen ihn an, doch inzwischen gelang es ihr kaum noch, sich zu bewegen. Ihr verzweifelter Ausbruch hatte sie vollends erschöpft. Schließlich sank sie kraftlos zusammen.
Daeron wartete, als wollte er sichergehen, dass ihre Gegenwehr tatsächlich erlahmt war. Schließlich ließ er sich an der Wand auf den Boden sinken und zog sie mit sich. Schwer atmend lehnte sie an seiner Brust und wünschte, es gäbe einen Weg, ihm zu entkommen. Sie spürte, wie er einen Arm bewegte. Mit dem anderen hielt er sie noch immer fest
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