Vampyr
seines Erben mit Sorge entgegen. Was, wenn sein Kind ebenfalls verschwände? Aus Furcht um die Sicherheit seiner Familie ließ er seinen Sohn sofort nach der Geburt gegen ein anderes Kind austauschen und – zusammen mit Mary – heimlich aus Dun Domhainn bringen. Der Earl selbst versteckte sich in seinem Gemach und wartete. Tatsächlich kam Sarah und holte den fremden Säugling aus der Wiege. Tavian ließ sie gewähren, wollte er doch wissen, was mit den Kindern geschah. Er folgte ihr unbemerkt in die Tiefen der Burg. In einer Kammer, inmitten von Knochen und Leichenresten, wurde Tavian Zeuge eines unglaublichen Opferrituals, dessen Anblick sein Haar schlagartig weiß werden ließ. Auf dem Höhepunkt trat der Fremde in die Kammer. Er schien geradewegs aus dem Nichts zu kommen. Sarah verneigte sich vor ihm und hielt ihm den sich windenden Säugling mit den Worten ›Nimm die Gabe deiner Dienerin Ushana‹ entgegen. Der Fremde schlug seine Zähne in den Hals des schreienden Kindes. Von Grauen erfüllt zog sich der Earl zurück. Er verständigte die Kirche von Sarahs unheiligem Treiben und ließ sie von seinen Clanskriegern festnehmen.
Die Kirchenchroniken sprechen davon, dass sie schwach war und dem Verhör nicht lange standhalten konnte. Ich glaube vielmehr, dass sie keine Notwendigkeit darin sah, sich langer Folter auszusetzen. Sie lebte in der Gewissheit, ihr Liebhaber würde sie erretten. So gestand sie die unheilige Verbindung mit jenem Mann, den sie den Unendlichen nannte, ebenso wie sie sich dazu bekannte, ihn mit dem Blut der verschwundenen Kinder genährt zu haben. Der Priester sprach sein Urteil und am nächsten Tag wurde im Morgengrauen der Scheiterhaufen entzündet. An jener Stelle, an der sich heute die mächtige tote Eiche erhebt.
Lichterloh in Flammen stehend flehte Sarah den Unendlichen an, er möge seine Dienerin retten. Laut Überlieferung starb sie auf dem Scheiterhaufen, doch die Flammen gerieten außer Kontrolle und verzehrten in einem beispiellosen Inferno Burg und Bewohner. Nur wenige entkamen. Unter ihnen der Earl. Aber er sprach nicht von einer tragischen Feuersbrunst, sondern von der Rache der Ushana, die aus dem Tode zurückgekehrt sei und erfüllt von der Macht des Unendlichen bittere Rache an ihren Richtern genommen habe. Eine Geschichte, die bis heute im Volksglauben überdauert. Womöglich nicht zu Unrecht.
Tavians Geist war von einem Wahnsinn gezeichnet, der schon bald sein Leben forderte. Eines Nachts stieg er auf eine Klippe und stürzte sich in die Tiefe. Seine Witwe und ihr Sohn kehrten nie in die Ruinen Dun Domhainns zurück. Mary MacKay ließ eine neue Burg errichten: Dun Brònach.
Erfüllt von der Furcht, die die Erzählung ihres Gemahls in ihren Geist gepflanzt hatte, klammerte sich Mary an ihren Glauben und umgab sich in ihrem neuen Heim mit heiligen Symbolen. Sie sollten sie vor den Gefahren schützen, von denen sie überzeugt war, dass sie auch jetzt noch in den Ruinen Dun Domhainns lauerten.«
Abgesehen von einigen Details war es eben jene Geschichte, die Daeron kannte, seit er in Asgaidh lebte. »Ich weiß wirklich nicht, warum Ihr mir das erzählt. Mary fürchtete sich vor Ushanas Rache, daher der Tag der Ushana. Das alles hat nichts mit –«
Vater Ninian gebot Daeron zu schweigen. »Noch mag es sich um eine altbekannte Geschichte handeln, doch was Ihr bisher gehört habt, ist noch nicht alles. Ich habe Nachforschungen angestellt, habe sogar in den Archiven des Vatikans nach jenem Unendlichen gesucht, dem Sarah gehuldigt haben soll, und ich studierte die Aufzeichnungen Tavians, die aus den letzten Tagen seines Lebens stammten. Der Earl glaubte gesehen zu haben, wie sich der Unendliche in den Flammen des Scheiterhaufens manifestierte und Sarah aus ihren Ketten befreite. Sie war bereits tot, doch sein blutiger Kuss holte sie ins Leben zurück. Der Earl schrieb von vielen Clanskriegern, die im Sturm von Ushanas Rache ihr Ende fanden. Doch er berichtete auch, wie sie sich am Blute jener labte, die das Inferno überlebt hatten. Die Ushana schwor, Tavian ebenfalls zu holen. Bald darauf war er tot.« Vater Ninian richtete sich in seinem Sessel auf. »Ich habe Fälle wie diesen untersucht und ich fand fast immer Hinweise auf einen Fremden, manchmal stieß ich auch auf den Namen des Unendlichen, der es angeblich vermochte, Tote mit seinem Blut ins Leben zurückzuholen.«
Daeron wusste nicht mehr, was er glauben sollte. Ein Teil von ihm wollte den Bericht des Priesters weit
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