Vampyrus
existieren“, versicherte er mir voller Ernst. Ich war völlig verblüfft. „Haben Sie jemals einen lebendigen Wal gesehen? Wohl nicht, und trotzdem glauben Sie an deren Existenz genauso wie an die der fernen Planeten. Wenn Ihnen ein Physiker etwas über unsichtbare Teilchen erzählt, glauben Sie es. Warum? Weil diese Leute wissenschaftlich arbeiten. Und wenn ich Ihnen versichere, dass wir von der FPVT ebenfalls streng wissenschaftlich arbeiten, würden Sie dann anders denken? Warum existieren so viele Sachbücher zum Thema Vampirismus? Ich kann Ihnen sagen, die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema würden in einer Bibliothek meterweise Regale füllen! Nur sind sie alle in slawischen Sprachen verfasst und deshalb in Ihrem Land kaum beachtet. Glauben Sie mir, ich habe schon viele Vampire gesehen und sie sind so real wie Sie und ich. Wir haben hier nur diesen kleinen Stand, aber in unserer Heimat, Rumänien, sind wir eine bekannte und anerkannte Institution!“
Die Knoblauchdekoration veranlasste mich dazu, ihm die ironische Frage zu stellen, ob es darum ginge, wie man sich besser vor Vampiren schützen könne. Nur fügte ich hinzu, gäbe es leider hierzulande keine Vampire.
„Richtig! Genauso wenig wie Eisbären und Tiger. Aber das liegt nur daran, dass wir Ihnen das Problem seit Jahrhunderten vom Hals halten. Sicher erinnern Sie sich an den Eisernen Vorhang. Es wurde verbreitet, sein Zweck wäre gewesen, die Bevölkerung davon abzuhalten, massenweise in den Westen abzuwandern. Sozialistische Paranoia etc. Ich sage Ihnen, was er in Wirklichkeit war: eine Lüge, aber eine notwendige Lüge, da niemand die Wahrheit geglaubt hätte. Oder, wenn man die Wahrheit gewusst hätte, wäre die Folge eine Massenhysterie gewesen. Der Eiserne Vorhang war ein Schutzwall vor dem Vampirismus, der auf Wunsch des Westens errichtet wurde! Und dass er nicht mehr existiert, ist heute ein Problem! Noch halten wir von der FPVT die Grenzen mühselig für Vampire dicht. Wir tun dies, weil wir überzeugt sind, dass der Rest Europas mit den Vampiren überhaupt nicht zu Recht käme.
Sehen Sie, bei uns hat der Vampirglaube Tradition, er ist seit Jahrhunderten fest in unserer Geschichte verankert. Die Menschen wachsen praktisch damit auf. Wenn in einem Dorf ein Vampir umgeht, wissen sich die Leute zu helfen. Und außerdem sind Vampire völlig anders, als Sie sich vorstellen.“
Ich wollte wissen, wie er das meinte.
„Zunächst, sie sind nicht so schlimm, wie allgemein verbreitet wird. Ich würde sie aber auch nicht als harmlos bezeichnen. Vampire können böse und tödlich sein. Und natürlich fordern sie auf ihrer Jagd nach Blut ein paar Opfer. Aber tun das nicht auch Raubtiere?“
Ich fragte mich langsam, warum mein Gegenüber Vampire ständig in die Nähe bedrohter Tierarten stellte. Also sei die FPVT eine Tierschutzorganisation, folgerte ich.
„Nicht Tier schutz, sondern Vampir schutz!“ berichtigte mich der Mann und seufzte.
„Ja, so ist der Mensch. Rottet die Wölfe und Bären aus und auch die Vampire … Dabei sind Vampire intelligente Wesen. Die Öffnung des Eisernen Vorhangs hat Scharen von selbst ernannten Van Helsings und Doc Sewards zu uns gebracht. Diese Leute metzeln gnadenlos alles nieder, was kein Spiegelbild hat. Und dabei war es im neunzehnten Jahrhundert, als der echte Van Helsing unterwegs war, noch gefährlich, es direkt mit einem Vampir aufzunehmen. Aber sehen Sie heute: Jedermann kann sich eine Hightech-Ausrüstung kaufen und damit auf Vampirjagd gehen. Gegen die Schnellfeuer-Armbrüste, die Magnesium-Granaten und die elektronischen Dämonen-Detektoren sowie die bissfeste Schutzkleidung haben die armen Blutsauger keine Chance mehr.“
Ich wandte ein, dass Van Helsing eine fiktive Figur aus Bram Stokers Roman Dracula sei.
„Ja, die Handlung ist erfunden! Aber der Roman beruht auf Tatsachen!“ konterte der Standinhaber. „Glauben Sie, Stoker hätte sich das alles einfach so ausdenken können? Natürlich hat er ausführlich recherchiert und Fachleute hinzugezogen. Ja man munkelt, dass ihm der kleine Bruder Draculas, ein gewisser Mircea, persönlich beiseite gestanden hat.“
Ich musste einräumen, dass ich über diese Frage noch nie nachgedacht hatte. Seine Augen zogen mich derweil in einen hypnotischen Bann. Je länger ich mit dem Mann redete, desto seltsamer wurde mir. Ich fühlte mich unsicher auf den Beinen und Schweiß brach auf meiner Stirn aus.
„Und seit der Entdeckung des Vampyrus
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