Vampyrus
ist, muss es nicht wahr sein“, konterte Kennis, aber Britta unterbrach, bevor die beiden sich richtig streiten konnten. „Stell dir einfach mal vor, es gäbe Vampire. Wäre dann das, was du gelesen hast, nicht schrecklich?“
„Natürlich, Britta, jedes Horrorbuch, jeder Film wäre das, aber es ist eben nur Fantasie!“ „Darius ist ein Vampir“, erklärte Britta. „Natürlich“, bestätigte Kennis und sah zu Darius. Der lachte und Kennis fuhr fort: „Er hat ja noch nicht mal lange Eckzähne, mit denen er den Menschen das Blut aussaugen könnte.“
Britta seufzte und während Darius grinsend seine Zähne zeigte, wuchsen ihm lange Eckzähne, und seine ebenmäßigen Gesichtszüge verzerrten sich, wurden hässlich und bedrohlich. Kennis sah dieser Verwandlung fasziniert zu, registrierte, wie Darius sich erhob und langsam auf ihn zukam. Er fühlte die kalte Drohung, die sich ihm näherte, als körperliches Unbehagen, wollte aufspringen, sich verstecken, verkriechen, aber er konnte keinen Muskel bewegen, nicht einmal schreien, nur regungslos sitzen und vor Angst fast krepieren. Darius trat hinter ihn, schob ihm die Hände unter die Achseln und hob ihn mühelos über seinen Kopf hoch. Kennis starrte hilflos auf Britta, als er Darius gefährlich fauchen hörte, und sie befahl mit schneidender Stimme: „Das reicht, Darius!“ Darius ließ Kennis sofort fallen, seine Augen glühten und er zischte noch einmal in seine Richtung.
„Darius ist ein sehr junger Vampir, der seine Kräfte noch nicht alle beherrschen kann. Er ist sozusagen noch in der Ausbildung, aber was du gesehen und gefühlt hast, sollte dich überzeugen.“
Kennis rappelte sich vom Boden auf. Seine Glieder fühlten sich wie taub an, es war schwer, sie zu koordinieren. Darius hatte sich wieder an den PC gesetzt, als sei nichts passiert. Seine Gesichtszüge waren entspannt und seine dunklen Augen studierten etwas auf dem Display.
„Was zum Teufel …“, begann Kennis, aber Britta unterbrach ihn sofort. „Hör mir jetzt zu! Obwohl meine Eltern bis zu ihrem Tod nicht aufgaben, die verfeindeten Gruppen aussöhnen zu wollen, erkannten sie, dass sie wohl scheitern würden. Meine ganze Erziehung war deshalb die Vorbereitung darauf, dich zu schützen und dir zu helfen.“
„Spinnst du jetzt total?“, fuhr Kennis sie an. „Was für einen Unsinn redest du denn da?“
„Mein Vater weissagte, derjenige, der dieses Grimoire“, sie deutete auf das Buch, „vernichten kann, würde zu meinen Lebzeiten kommen. Aber er würde nicht wissen, dass er der Auserwählte ist, seine Gabe nicht kennen. Er würde Hilfe benötigen zu ergründen, wer er ist, und was seine Aufgabe ist.“
Kennis sah sie völlig fassungslos an: „Und dieser Typ soll ich sein?“ „Selbstverständlich. Das Grimoire war jahrhundertelang verschwunden. Dann bringst du es aus Wien mit. Du kannst es lesen, obwohl es in allen möglichen Sprachen verfasst ist, die du nie gelernt hast …“
„Vergiss es, Britta. Der alte Buchhändler war nur froh, das verdreckte Märchenbuch endlich los zu werden. Ich Trottel stolperte zufällig in seinen Laden. Und geschrieben ist es in Deutsch, sogar unserem heutigen Deutsch. Es wurde also in der Jetztzeit verfasst und nur auf alt getrimmt, um Leute reinzulegen …“
„Kennis, du hast selbst gesehen, dass Buchstaben unter deinen Fingern verschwunden sind. Versuch nicht, das zu leugnen. Und schließlich ist dein Name ein weiteres Indiz.“
„Mein Name? Kennis heißt der Einzigartige. Meine Eltern waren eben der Meinung, jeder Mensch sei einzigartig, womit sie auch recht haben …“
„Kennis heißt auch der Auserwählte. Und der bist du, denn nur du kannst das Grimoire vernichten, weil seine Schrift unter deiner Berührung verschwindet.“
„Das mit dem Buchstaben verschwinden lassen ist Quatsch. Wahrscheinlich waren sie vorher schon nicht mehr da. Schau“, er schlug das Grimoire auf, legte seine Finger auf eine Seite und nahm sie dann wieder weg.
„Siehst du? Es ist nichts passiert. Absolut nichts.“ Er lachte, so erleichtert war er selbst, dass alle Buchstaben noch an ihrem Platz waren, und er sich das gestern Nacht nur eingebildet hatte. Doch Brittas nächster Satz machte alle Erleichterung wieder zunichte: „Du weißt, du hast die Gabe, doch du musst sie benutzen lernen. Bis dahin werden wir dich beschützen.“
Während Kennis noch über ihre Worte nachdachte, wurde Darius hektisch und Kennis glaubte, ein vages Gefühl von Gefahr zu
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